Gemeinsam mit dem Online-Journal menschen-in-dresden.de haben wir alle OB-Kandidaten zum Interview eingeladen. Wir treffen Eva-Maria Stange, die für SPD, die Linke, die Grünen und die Piraten ins OB-Rennen geht, im L`Art De Vie, dem Restaurant im Societätstheater. Es ist Freitag Abend, 21.30 Uhr, Plauderzeit bei Kerzenschein? Frau Stange kommt gerade von einer Bau-Diskussion aus dem Kulturrathaus, macht einen putzmunteren Eindruck und bestellt sich erstmal einen Kirschsaft.
Auch an sie geht die Frage nach dem Abstieg vom Minister zum Bürgermeister. Und als hätte sie sich mit Mitbewerber Hilbert abgestimmt, stellt sie fest, dass sie als OB wesentlich mehr Kompetenzen habe. „Ich habe großen Respekt vor der Fülle der Themen, mit denen man als Stadtoberhaupt zu tun hat“, sagt sie und schiebt aber gleich hinterher, dass sie sich auf die spannende Aufgabe freut. Es ist ihr bewusst, dass sie sich in die Materie noch einarbeiten muss. Aber mit den Stadträten, so glaubt sie, wird sie schon zurecht zu kommen. Sie habe da Erfahrung aus der Zeit, als sie Gewerkschaftsboss war. „Da hatte ich auch meine Landesfürsten.“ Da galt es, ganz unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bekommen.
Im Stadtrat habe sie den Vorteil, schon drei Fraktionen auf ihrer Seite zu haben. Als erstes wolle sie mit der CDU und dann mit den anderen Fraktionen reden. Sie stört an der politischen Kultur in Sachsen und Dresden: „Wer die Mehrheit hat, hat die Macht und die Macht setzt sich über alles drüber weg.“ Das will sie ändern, kluge Vorschläge der Opposition sollen möglich sein. Ein erster Schritt in dieser Richtung sei durch den rot-rot-grünen Stadtrat schon erfolgt, nämlich der CDU das Vorschlagsrecht für zwei Bürgermeister zu geben.
Kulturhauptstadt 2025, Bauen, Schulen, Kitas
Vorausgesetzt, sie wird gewählt: nach dem Gespräch mit den Fraktionen will sie mit den Mitarbeitern reden, mit den Fachbürgermeistern. Die einzelnen Bereiche sollen die brennenden Fragen auflisten. Für sie ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Bewerbung Dresdens zur Kulturhauptstadt 2025. Außerdem wichtig: Bauen und Flächenmanagement. „Soweit ich weiß, verkauft die Stadt immer noch Flächen, das halte ich für hochproblematisch.“ Sie will sich da einen Überblick verschaffen. Drittes Thema ist der Schulausbau und das Kitabauprogramm.
„Wir werden eine neue Wohnungsgesellschaft brauchen. Wenn die Gagfah-Belegungsrechte auslaufen, was dann?“ Nach ihrer Information ist das 2025, Kollege Hilbert hatte noch von 2036 gesprochen. Die Sozial-Charta der Gagfah läuft zwar zum 5. April 2021 aus, die Belegungsrechte für die Stadt können aber mittels Optionen bis 2036 verlängert werden (siehe Pressemitteilung der Stadt unter dresden.de). Ihrer Ansicht nach solle die neue Wohnungsgesellschaft weniger in Neubauten investieren, sondern sich auch um den Bestand kümmern, dafür will sie mit den Genossenschaften über Belegrechte sprechen, auch für Asylbewerber. Wenn sich die Stadt da zurückziehe, sei das problematisch. Von der Hilbert-Idee zur Förderung von Wohneigentum hält sie wenig. „Ich mache mir Sorgen um die Menschen in Dresden, die aufgrund ihrer prekären Arbeitssituation und der Familiengröße keine adäquate Wohnung mehr finden, die sie mit ihrem Einkommen bestreiten können.“ Dabei geht es nicht um Wohngeldempfänger, sondern um Familien mit Kindern, in denen beide Elternteile arbeiten gehen und dennoch nur niedrige Einkommen haben und um Senioren mit einer niedrigen Altersrente.
Pegida ist Gift für Wissenschaft und Wirtschaft
Unsere anfängliche Plauderei hat sich inzwischen in ein ernsthaftes Gespräch verwandelt. Die 58-Jährige hört genau zu, überlegt und antwortet, wenn es sein muss auch energisch. Bleibt dabei aber immer charmant. Um die Wirtschaft in Dresden anzukurbeln, kann sie sich eine Fördergesellschaft vorstellen, die soll dann in Zusammenarbeit mit dem Umland arbeiten. Vor allem beim Flächenmanagement und Marketing. Sie verweist auf das funktionierende Modell in Leipzig. „Wir müssen dringend unsere Ausstrahlungskraft erhöhen.“ Die Wissenschaft ist in Dresden gut vernetzt, aber die systematische Verknüpfung zur Wirtschaft sei noch nicht ausgeprägt. Da müsse man ansetzen. Auch bei der Kreativwirtschaft: „Wir verlieren zu viele junge Kreative aus Medien, Software und Kultur.“ Gift für Wissenschaft und Wirtschaft seien auch die Pegida-Demonstrationen. „Ausländerfeindlichkeit hat in Dresden nichts zu suchen“, sagt sie und die Parolen von Pegida seien ausländerfeindlich und rassistisch. Das schade der Stadt in extremster Weise. Ausländische Wissenschaftler fühlen sich belästigt. Sie will diejenigen zusammennehmen, die sich für einen anderen Umgang mit ausländischen Bürgern in der Stadt einsetzen. Auch die Initiativen, die sich in den Asylheimen engagieren.
Abschließend noch ein bisschen Sublokales: „Wie trete ich jetzt in keinen Fettnapf?“, fragt sie noch schmunzelnd, um dann zu erklären, dass die BRN kein Aushängeschild für die Stadt ist. Aber zu einer Großstadt gehöre so ein Fest auch dazu. „Es ist ne irre Atmosphäre, so was von flippig und bunt, die Neustadt ist wie so ein besonderes Gebiet in der Stadt, ja, aber kein Aushängeschild.“ Und zur Königsbrücker: „Da werden wohl alle Beteiligten etwas leiden müssen.“ So beschreibt sie die Quadratur des Kreises, dass die Straße eine Flaniermeile sein soll, Autos, Straßenbahn und Fahrräder aber auch zügig durchkommen müssen.
Nach knapp zwei Stunden Gespräch verabschiedet sie sich in die Nacht, am nächsten Tag warten die nächsten Termine.
- Nächste Kandidatin: Tatjana Festerling. Das Interview entstand in Kooperation mit menschen-in-dresden.de, dort gibt es das Interview im Wortlaut. Für die Fotos verantwortlich: Dehli-News.de/Frank Dehlis
Der BRN-Absatz ist im Wortlaut bei „Menschen in Dresden“ nicht einmal erwähnt (was ist denn dann ein „Wortlaut“? – alles, was passt?), hier kommt er sogar in die Überschrift – es ist kurz vor „wählt die bloß nicht“. Etwas neutraler hätte es schon sein dürfen.
Ja das finde ich auch … es gäbe bessere Alternativen für die Überschrift.
Ein Wortlaut-Interview gibt den Wortlaut des Interviews wahrheitsgetreu wieder, nicht zwingend den ganzen Umfang des Interviews. Dass ich natürlich mehr Wert auf den sublokalen Bezug lege, als der Kollege, sollte einleuchten. Und neutral war bisher keine meiner Überschriften, warum sollte ich dann jetzt damit anfangen?
danke, Anton, d’accord. Der Satz wirkt trotzdem so alleinstehend merkwürdig, weil sie dazu nichts weiter erklärt. Vielleicht sollte sie sich mal Zahlen einholen, wer von auswärts extra zur BRN kommt. Oder das Fest trifft schlicht nicht ihren Geschmack. Legitim.
Außerdem trifft sie sich mit der Kritik vieler NeutädterInnen an der zunehmenden Kommerzialisierung der BRN, die auch hier im Geflüster immer wieder zu lesen war. Eine Veranstaltung, die mehr und mehr Bewohner/innen zur Flucht veranlasst, ist wahrlich kein Aushängeschild für Dresden.
Aushängeschild: „Essbare Stadt“
https://youtu.be/CSI3ckG5Y9g
BRN – sollte das nicht eher unser Fest hier in der Neustadt sein als ein Aushängeschild der Stadt? Etwas weniger „Aushängeschild“ wäre wohl so einigen Neustädtern wesentlich lieber. Mir auch. Zurück zu den Wurzeln.
Danke, Frau Stange, für diese klaren Worte. Das traut sich im Wahlkampf kaum jemand. Daher: Hochachtung!
Danke, Anton, für Deine Wahl-Serie! Hoffentlich motiviert das die gewogenen LeserInnen nun auch zum Urnengang!
Oh, der Ecki ist wieder da.
In Bezug auf die Überschrift, es war auch nie die Absicht, ganz im Gegenteil, das die BRN „Aushängeschild“ Dresdens wird. Auf den Rest der Welt zu Schei…en, sich von dieser zu lösen, einen Freiraum zu schaffen und eine eigene wilde Party zu feiern, diese so autonom wie möglich durchzuziehen, in möglichst allen Belangen und dabei eben auf jedes „Regelwerk“ zu spucken (was man natürlich als politisches Statment verstanden haben wollte), war ein wesentlicher Teil des Antriebs. Typen vom Ordnungsamt mit Maßbändern, die die Breite von Ständen Protokolieren, die hätten auf „MEINER BRN“ damals sehr sehr schlechte Karten gehabt, und vermutlich wären die nicht wirklich weit gekommen. ;)
Da fängt nämlich der Hamster an zu humpeln, würde „Olaf“ jetzt wohl sagen, denn das heutige „Specktakel“ mag bisweilen noch ganz lustig sein, zugegeben, doch es ist im Prinzip die Pervertierung des ursprünglichen Ausgangspunktes der BRN. Natürlich wäre damals schon niemand dieser Lemminge in der Politik auf den Gedanken gekommen, diese Republik als Aushängeschild zu etablieren, der Gedanke kam einigen erst mit der Zeit, nämlich mit den Touristen, all den „Hochhausbewohnern“ und gipfelt heute in der Profilneurose einiger FDP-Mitglieder die hier aktuell, und in FDP-Szene untypischer Kleidung, auftreten. Beide Zustände taugen sicher nicht als Aushängeschild für Dresden, richtig!
Specktakel? Ja: Abspecken würde nicht schaden – das Fest selbst und danach ist es sowieso nötig….
Ich als inländischer Akademiker fühle mich durch die von der früheren SED-Genossin Frau Stange und RRG ausgehenden Ideologisierung der Stadt auch mehr als „belästigt“!
Wer hat uns verraten?
Frau Stange gehört einer Partei an welche den größten Sozialabbau der Nachkriegsgeschichte beschlossen hat, Deutsche Soldaten erstmalig wieder in alle Welt schickte und gerade erst das Streikrecht massiv eingeschränkt hat. Unwählbar, völlig egal auf welcher Ebene! Egal was sie sagt, es ist von vorne bis hinten erstunken und erlogen. Schaut nur die SPD-Wahlversprechen der letzten Jahre an…
Naja, zumindest plakatiert die Stadt selbst unter dem Motto Stadt der Kreativen mit BRN, Filmfest und anderen Initiativen, die nicht von ihr ausgehen.
Aber schon interessant, wie durch die Überschrift die Diskussion gelenkt wird. Als ob das wirklich wichtig wäre bei der Wahlentscheidung.
@proleteus: Wen meinst Du denn mit uns? Dir ist schon klar, woher der zitierte Ausspruch stammt, oder?
„[…] stellt sie fest, dass sie als OB wesentlich mehr Kompetenzen habe.“
Dass muss ein wahrer Kompetenzrausch gewesen sein, weil ihr offenbar Kompetenzen erschienen sind, die sie dann ggf. in Zukunft gar nicht hat. Zumindest ist das meine derzeitige Arbeitshypothese warum in der Neustadt prominent „Mietpreisbremse für die Neustadt“ plakatiert wird obwohl das Landesrecht ist (ja, ist mir klar dass die anderen Partein/Verbände/etc/pp sowas auch häufiger machen, mir ist’s nur aufgefallen).
@abrazzo: Tja leider falsch vermutet! Dieser Spruch ist kommunistisches Liedgut bzw. vom RFB: Zustimmung Kriegskredite, Ebert und Noske, Verhinderung der Einheitsfront ! Click !? aber passt immer für diese dienstwagengeile „Volks“-Partei ohne Ideale! ich habe diesen Spruch in den 90igern persönlich von der PDS-Jugend an den Kopf geworfen bekommen (muss mich mal Outen, war mal JUSO und mit „uns“ mein ich deshalb auch mich)
also bitte die Nazi-Keule wieder ins Futteral!