Oh weh, oh weh, die Puppen kreischen, singen fröhlich ihr Klagelied. Über den Sommer. Über die Gesellschaft. Über Tiere, Nerds und Akrobaten. Schillernd bunt, gar traurig schön, präsentieren sie sich in ihren Buden. „Seht uns an“ – Verführung pur! Der Blick bleibt haften, die Glieder zucken. Schau! Buden! Sommer! Zirkus des Lebens, was für ein Spaß! Elf Nächte tanzen und staunen. „Keine Angst! Seid ruhig verstört!“, warnen die Veranstalter. „Tanz in Zelten und an Stangen“, lautet ihr Versprechen. Der diesjährige Schaubudensommer steht im Zeichen der Volljährigkeit. Zum 18. Mal verwandelt sich der Scheune-Garten in einen Eintopf aus sommerlichen Schweiß, nackten Gliedmaßen und kunstvollen Attraktionen. Vom 16. bis zum 26. Juli, täglich, wenn der Tag in den Pyjama schlüpft, der Bauarbeiter die Schippe zu den Akten legt, kriechen die Puppen aus ihren Löchern und herrschen über das nächtliche Geschehen. Seid gespannt, es wird wieder einige Überraschungen geben.
Bunt, laut, geheimnisvoll: Alles wie immer oder doch nicht?
Auf was darf sich denn nun der ambitionierte Schaubuden-Flanierer in diesem Jahr freuen? Eigentlich ist es wie immer, vielleicht alles eine Prise reifer, flauschiger und abstruser. „Der Schaubudensommer heißt Sie willkommen, charmant und ein wenig lasziv, dafür pubertär albern und doch erwachsen nachdenklich.“ – kurz: Zieht euch warm an, die Temperatur fällt während das Niveau steigt.
Die Schaubunden-Artisten haben weder geistige noch geografischen Grenzen gescheut, um sich von ihrer Bananenseite zu präsentieren. Mit ihren kuriosen Herrlichkeiten aus aller Welt halten sie ihr Plädoyer für die künstlerische Freiheit. Ein heimlicher Protest soll eskalieren. Schluss mit Lustig! Oh weh, fatale Freiheit! Traut euch, tretet ein in die friedvoll anmutenden Buden, bewundert das anarchistische Kunstgemetzel, lauscht den merkwürdigen Geschichten, schüttet euer Herz aus, bedankt euch angemessen!
Jeder Abend verspricht die volle Dröhnung Glückseligkeit, zwölf bis fünfzehn verschiedene Aufführungen, Shows und Performances stehen zur Auswahl. Überall, fast unsichtbar, wird man sie lungern sehen: die bedauernswerten Buden-Junkies. Und sie werden glücklich sein, denn bis zu vier Darbietungen hintereinander können sie erleben, dann lädt der Scheunen-Henker zur Mitternachtsüberraschung. Schwindelerregende Karussellfahrten finden zur achtzehnten Budensause nur am Kunst-Imbiss von Christopher Haley Simpson statt, dort bekommt man „Kunst, Wurst, Bier“, also besser nicht zu tief ins Glas gucken und die Bratwurstpappe langsam genießen.
Wir sollten beten den Schaubuden-Marathon zu überleben…
Falls die Achterbahn im Kopf bereits Loopings schlägt, empfiehlt der Veranstalter einen Besuch am romantischen Springbrunnen. Einfach abtauchen und den Humor auftanken, diesen Rat sollte sich auch Anna Mateur auf ihre Amaretto-Fahne schreiben. Während die einen im Brunnen tauchen oder auf dem Boden kriechen, wagen sich andere in galaktische Höhen: Zirkus Gonzo aus der Schweiz turnt sich in seiner One Man Circus Show durch das Zelt – am Trapez, am Seil und am Handstandpodest. So richtig gefährlich funk-futuristisch wird es, wenn Prekrasnye Zvety aus dem Sack gelassen werden, sich wilde Verfolgungsjagden und Mafia-Rangeleien liefern und mit mysteriöse Koffern Alarm auslösen. Der Tod klopft an, La Pendue und Ama aus Frankreich und der Schweiz wissen, wie auch der zu händeln ist. Die Gebete wurden erhört, Suse Wächter und Rike Schuberty singen Karaoke mit Gott.
Zeit für Entspannung: Möppi Ginda siegt über die Wortgewalt des Dudens, mit seinem Gesicht erzählt er Anekdoten über die der Botschafter des deutschen Humors, Otto Kuhnle, nur lachen kann. Die Jindrich Staidel Combo darf natürlich nicht fehlen, ihre musikalische Hysterie macht das Drama perfekt: Tobias Herzz Hallbauer aka Sønderling greift zur Proteinpille, setzt sich einen Helm auf und interpretiert David Bowie.
Massenheilung ohne Überweisungschein
Ganz harte Schau-Bud(dh)isten dürfen sich auf spirituelle Lyrik und prickelnde Erotik freuen, Demian Kappenstein liest Extremliteratur. Das steckt nicht jeder so einfach weg, selbst Romeo und Julia hassen sich: die Inszenierung des Klassikers von The Biting Breads lässt jede Hoffnung auf ein Happy End im Neustadt-Sumpf ersticken. Doch dann die Wende: Bei César und Muriel aus Chile ist „Alles Banane“, der Zementmischer wird es schon richten. Ein großes Geheimnis schwebt über Container 7, Eintritt nur einzeln gestattet. Sollte man lebenden, aber verstörten Fußes, den Weg wieder herausfinden, empfangen einen Treuhand Cremer / Royale zu heilenden Zwiegesprächen, auf Wunsch zu Massenheilungen. Sollte auch das nicht helfen, bleibt immer noch der hoffnungsvolle Gang in die 5. Dimension: das Spiegelkabinett mit Nummerndurchsage im Mirrotic Express treibt schließlich auch den Letzten in den Wahnsinn. Nichts wird verborgen bleiben, alles wird dokumentiert, der lauteste Lacher, der größte Ketchupfleck und der kleinste Fehltritt. Spacke, Anne Klein, Christopher Simpson und César Olhagaray werden während des gesamten Schaubudensommers alle Besucher porträtieren, bewundern kann man das Ganze dann im Café der Scheune.
Familientag und explosives Musikprogramm
Der Sonntag gehört – wie in jedem Jahr – ganz der lieben Familie, hier stehen die Kleinsten im Schaubudenlicht. Ab 15 Uhr dürfen alle Eltern sich von den durchzechten Nächten der vergangenen Schaubudentage erholen. Zuckersüße Brause und tierische Gäste umrahmen ein lustiges Programm für Kinder.
Für den musikalischen Festival-Flash hat Dynamite Konzerte gesorgt. Die Festivalbands spielen jede Nacht ab 00:30 Uhr alles von Kumba über Pop bis Punk Rock: Radio City Rockers (D), Provinztheater (D), Nörd (D), Rowling Bowling (CHN), Wedge (D), Skampida (COL), Golden Kanine (SWE), Diving for Sunken Treasure (D), Maxim Vaga (D), The Wohoo Revuee (AUS), Sensi Simon (D).
Die Schaubuden-Helferlein waren schon fleißig: Erste Eindrücke vom 18. Schaubudensommer
Das ausführliche Programm gibt es unter www.schaubudensommer.de und auf Facebook.
Der Festival-Platz ist ab 19:00 Uhr geöffnet, bis 20:00 Uhr ist der Eintritt auf das Festivalgelände kostenfrei. Ab 20:00 Uhr kostet der Eintritt 2,50 Euro für Erwachsene. Tickets für die Shows gibt es ausschließlich an der Abendkasse. Der Eintritt für eine Vorstellung (ca. 20 – 30 Minuten) kostet 5 Euro, das Dreierticket 12 Euro und die ermäßigte Karte für Kinder (abends 5-12 Jahre, Familiennachmittag 2-12 Jahre) 2 Euro.
Meh, Eintritt schon wieder teurer. Ne vierköpfige Familie legt jetzt schon mal nen Zehner, ohne auch nur eine Show gesehen zu haben. Vor ein paar Jahren kam man noch gratis rein zum Schauen. Irgendwann bleibt das Stammpublikum weg, auf dem Platz ist es ja doch immer dasselbe. Und: Älter als 12 zählt als erwachsen?
Aber bis 20 Uhr ist der Eintritt doch frei. Und ab 19 Uhr kann man rein…