In der Schönbrunnstraße gibt es seit gut einem Dutzend Jahren die Neustädter Hausbrauerei Schwingenheuer. Der Chef heißt „Lenin“, die Biere „Neustadt Hell“ oder „Zitzschewig Death“. Ein echtes Neustadt-Original.
„Uns gibt es wirklich! Wir sind eine echte Brauerei. Die Leute können sich einen Termin holen, durchs Sudhaus gehen und dem Brauer bei der Arbeit zusehen“, fasst Christian Schwingenheuer, Geschäftsführer der Hausbrauerei Schwingenheuer und Erfinder von Lenins Hanf, die Firmenphilosophie zusammen.
Mehr als 13 Jahre gibt es sein Unternehmen nun, das Sortiment besteht aktuell aus acht Biersorten. Angefangen mit Neustadt Hell, Sachsens erstem Ökobier, folgten illustre Namen wie Zitzschewig Death, Bio-Drachenwiese oder Bio-Mittagsbier working class edition.
Es gibt unheimlich viel Beschiss auf dem Biermarkt. Jedes ‚Neustädter Bier‘ hat die Neustadt zum ersten Mal gesehen, wenn es hier im Regal steht.
Christian „Lenin“ Schwingenheuer
Die Geschichte des Brauens begann für Christian Schwingenheuer natürlich viel früher. Und ganz woanders. Schwingenheuer stammt aus Wulfen in Dorsten, am nördlichen Rand des Ruhrgebiets. Er ist Sohn eines KFZ-Meisters und sein Vater war es auch, der einst zu seinem 15-jährigen Sohn meinte: „Nächstes Jahr wirst du 16 und dann darfst du in die Kneipe. Ich will nicht, dass dich da jemand unter den Tisch trinkt, deswegen trainiere ich dich jetzt schon.“ Das berichtet Schwingenheuer und führt die unglaubliche Geschichte weiter aus: „Daraufhin ist er mit mir einmal in der Woche in die Dorfkneipe gegangen. Als ich dann bei fünf Halben am Abend war, meinte er, dass das ausreicht. Zum 16. Geburtstag bekam ich von ihm ein Buch zum Thema Bier selber brauen. Mein Vater hat mir auch im heimischen Keller beim Bau der ersten Brauanlage geholfen. Deshalb braue ich, seit ich 16 bin.“
Mittlerweile hat Schwingenheuer fünf festangestellte Mitarbeiter und die Brauanlage befindet sich nicht mehr im Keller, sondern im Industriegelände. Der nachhaltige Ansatz steckt dort in jedem Detail: höchstmögliche CO₂- und Ressourceneinsparung, Verwendung von regionalen (teils Bio)-Malzen, Resteverwertung als Tierfutter, ein Transporter auf Erdgasbasis, Recyclingpapier, Bügelverschlüsse statt Kronkorken und so weiter.
Auf die Frage wie Schwingenheuer auf Dresden kam, verrät er: „Ich bin ’96 aufgrund einer Fehlinformation der Studienberatung hergekommen. Ich wollte Geografie studieren. Die Berater meinten, dass jeder die Mathe-Prüfung schafft. Ich habe ihnen das Gegenteil bewiesen.“ Und warum der Spitzname Lenin? „Als Student bin ich einem Studentenclub beigetreten. Ich kam zur ersten Versammlung zu spät, weil ich auf dem Flohmarkt einen Armeeparka und eine Arbeiterschiebermütze gekauft hatte. Zu der Zeit trug ich außerdem noch einen Spitzbart. ‚Guckt mal, da kommt ein Lenin!‘ sagte der Erste, der mich sah. Damit war der Spitzname besiegelt. Bei Stalin hätte ich mich gewehrt.“
Neben Nachhaltigkeit spielt Qualität eine entscheidende Rolle. „So etwas wie Oettinger müsste heute nicht mehr sein. Da fühlen sich auch kleine Mengen von sieben bis acht Flaschen am nächsten Tag an, als wäre dir eine Kiste Radeberger auf den Hinterkopf gefallen“, illustriert Schwingenheuer süffisant. Hintergrund der Aussage: „Unsere Biere reifen drei bis sechs Wochen. Danach sind die Fuselöle abgebaut. Da kann man auch 13 oder 14 Flaschen trinken und am Tag darauf arbeiten.“ Eine Aussage, der zweifellos Erfahrungswerte zugrunde liegen.
Zusätzlich werden noch Brauseminare angeboten. „Wir schmeißen niemanden raus, der noch stehen kann“, beschreibt Schwingenheuer, der die Seminare gemeinsam mit einem anderen Dozenten leitet, lachend das Motto. Und so ausgebucht wie die Workshops, so sehr steigt auch die Nachfrage nach seinen Bieren. „Neue Flaschenkunden nehme ich gar nicht mehr. Das ist zu viel Arbeit. Fassbierkunden jedoch gerne.“ In den kommenden Jahren steigt daher die Produktionsmenge. An der Firmenphilosophie wird sich hingegen nichts ändern.
Genauso wenig wie an der Tatsache, dass Christian Schwingenheuer auch seinen 40. Geburtstag im kommenden Jahr wie gewohnt im Späti verbringen wird.
Weitere Informationen
- Hausbrauerei Schwingenheuer, Schönbrunnstraße 1, 01097 Dresden
Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag: 15 bis 20 Uhr Telefon: 0351 7993774 (unbedingt den AB besprechen)
Ein Gastbeitrag von Thomas Natzschka, erscheint gedruckt im Scheune-/Groovestation-Programmheft am 29. September.
Mir scheckt das Rote am besten, wenngleich ich manchmal denke, dass ich leichter Kopfschmerzen davon bekomme, als von klarem Bier.
„Ich bin ’96 aufgrund einer Fehlinformation der Studienberatung hergekommen.“
– Es geht doch nichts über die Studienberatung – das Sprungbrett/der Schleudersitz der Selbständigen.
Ich habe mich gestern Abend beim Neustadt Art Festival gefragt, warum das Quartiermeister nicht das wirklich einigermaße leckere Bier von Lenin sein kann, sondern so ’ne eklige 08/15 Plörre aus Wittichenau.
Lenin scheint allgegenwärtig zu sein: http://www.leninisstillaround.com
Na dann Prost, Lenin! Kann aus der heute lokalen Bierszene Bulgariens nichts aufregendes berichten, nur der Wein ist super!!! Liebe Grüße. Mirko
Ist denn bekannt, in welchem Studentenclub Lenin früher mitmachte?
@Torsten: Das habe ich die Jungs von Quartiermeister auch schon gefragt, aber nur ausweichende Antworten bekommen. ;-) Und das mit den Kopfschmerzen kann ich bestätigen.
Wulfen ist ein Teil von Dorsten, nicht umgekehrt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wulfen_%28Dorsten%29
Vielen Dank für den Hinweis, ich habe das mal korrigiert.
Lenins Hanf gibt es aber seit neuestem mit Kronenkorken (in 0,33l Flaschen). Das macht die Pfandrückgabe an herkömmlichen Automaten bequemer und hält das Bier auch ohne Kühlschrank einigermaßen lange frisch.
@mossad: Lenin war im Club 10, der jetzt Club Novitatis heißt.