Lost at Hoyerswerdaer Straße. Zwischen Leerstand und Bürgerbüro kann man schon mal melancholisch werden.
Die Hoyerswerdaer Straße ist an dunkelgrauen Herbsttagen beileibe kein Stimmungsaufheller, zumindest nicht am Vormittag. Denn da hat das Bautzner Tor noch geschlossen. Würde nicht ab und zu eine gelbe „13“ vorüberquietschen, meinte man, in einem Schwarz-Weiß-Foto gefangen zu sein. Dass die Zeit vergeht, lässt nur Uhrmacher Feldmann ahnen, der hinter seiner Glastür schräubelt und dafür sorgt, dass wenigstens die Uhren richtig ticken. Der Regen fällt in feinen Schnüren und der Blick auf vergilbte „Zu vermieten“-Schilder gibt den finalen Schubser in einen See aus Kästner’scher Melancholie.
Es ist erstaunlich, wie viele tote Räume hier herum vegetieren. Leer wie die Augen eines Oktoberfestüberlebenden starren die Schaufenster auf die Straße. Das Hot Spoon, Crêpes Café und Lesitas – alles leer. Schenkt man dem Klingelschild am Fischladen Glauben, wird er noch als Atelier genutzt. Nach außen bleibt der Fisch allerdings schweigsam. Sogar das Pfandleihhaus sieht aus wie ein Opfer des eigenen Business. Man möchte zum Spontankauf in die Weinzentrale stürmen, sich wie eins Bukowski einen Roten einhelfen und direkt in eines von Walters Traumbädern stürzen. Die Plüschkatzen im Comictempel grinsen dazu.
Doch halt, so viel Depression hat die Hoyerswerdaer Straße nicht verdient. Sie ist ja schon mit einem Namen gestraft, dessen Aussprache fast den Kiefer aushakt. Den trägt sie übrigens seit 1946 – ein Jahr, in dem der ursprüngliche Name Kurfürstenstraße als unangemessen eingestuft wurde. Nun ja, heute würde diese Betitelung auch ein bisschen zu viel Glamour verheißen. Aber: Es grünt Hoffnung, beispielsweise in Form der Kräuterwerkstatt, aus der es intensiv nach Heuaroma duftet. Auf dem Logo der hier ansässigen AOK Sachsen Plus sprießt ebenfalls ein zartes Pflänzlein und noch weiter Richtung Elbe animiert der Babywalz-Palast vorüberziehende Störche.
Gesegnet ist die Hoyerwerdaer Straße mit Friseuren, Symbol für den Willen nach Veränderung. In Chamäleon, Maryla und Salon Hagen werden Köpfe eingeseift und zurecht gestutzt. Desweiteren hat das Fahrwerk auf der Hoyerswerdaer seinen Sitz und tut alles für den Untersatz der Velophilen. Schaut man genauer hin, sind in den unscheinbaren Fassaden doch einige Hingucker verborgen. Ein kleines Café da, die schmale Bäckerei Scholze hier. Nicht zu vergessen der kleine, ewig bunt beleuchtete Spätshop nahe des Bautzner Tors, bei dem es nach der Sperrstunde verlässlich Bier gibt – wenn auch recht teuer.
Gegenüber im Backshop No. 1, Lieferant spottgünstiger Bockwurst und böhmischer Hörnchen, hat jemand das B übermalt. Was auch immer Ackshop bedeuten soll … Die Hoyerswerdaer ist so ein bisschen wie die Brackwasserzone der Neustadt. Anfangs noch in Viertelmanier belebt, erstarrt sie nach und nach in Bürogebäuden. Hinter der neu gebauten Haltestelle hat sich ein Wohnhaus hinter Pressspan verbarrikadiert, aus einem Fenster weht eine Atomstrom-Nein-Danke-Fahne. Von der Elbe her grüßt bereits das verglaste Atrium mit dem ansässigen Bürgerbüro. Bitte ziehen Sie eine Nummer. Ich ziehe weiter.
Die Hoyerswerdaer Straße
- Die Straße auf dem Stadtplan von dresden.de
101
Der Befehl 101 war der Schießbefehl in der ehemaligen DDR … ist dies eine Anspielung?! Na und die AOK Sachsen Plus Filiale absolut erwähnenswert, Hammer da drinne, man wartet elegant umringt von grauen Teppich und immergrünen Zimmerpflanzen … in der Ruhe liegt die Kraft.
Magic … Your comment is awaiting moderation.
Ich mag sie…“meine“ Straße…sehr sogar! Übrigens, Tattoo by ewa ist nicht leer und das leaving pictures sollte auch erwähnt werden…habense sich verdient..beide! :)
@CaLi: Sorry! Das Tattoo-Studio ist mir dazwischen gerutscht! Hab es gleich geändert!
Keeen Ding! ;)
Brackwasserzone…wie passend!
@ julia, war mir neu, ist aber treffend in wahren Sinne ders Wortes.
………s war wieder toll zu lesen–DANKE–…..ich war auch nen paar mal dort als noch Zooladen Börner da war,die Strasse liegt genau so ungünstig wie die Toglattistrasse !!
und vielleicht ist der „Übermaler“gestört worden ?!–wollte noch einen neuen Buchstaben malen
grussi….
Ich fall immer fast vom Fahrrad wenn ich nachts am Bad-Walter vorbeicruise. Dieses blaue Licht raubt mir echt die Sicht. Geht das noch jemandem so?
Da werden Erinnerungen wach :-) meine erste Neustadt-Bude war genau dort, unter einem im Sommer heißen und im Winter eiskalten Dach einer waschechten „Schrott“immobilie (seitdem weiß ich was ein „Globalzessionsvertrag“ ist) aber mit einem wahnsinnigen Ausblick bis hin zu den Elbhängen im ganz ganz weiten am Horizont schimmernden Radebeul und Merbitz.
Mit dem Vater vom aktuellen Hagen-Frisör konnte man beim Einseifen so schön über Funkamateurtechnik und Vogelbeobachtung schwadronieren…
Nostalgische Gefühle – ist das so wenn man ein Alter Sack ™ wird?
@jens“i“: Warum klaust Du dem Togliatti sein „i“ aus dem Namen? Und heißt der nicht heute „Glacis“?
@Altkommunist……..
das mit dem „i“ fiel mir später auch noch ein,da die Stadt aber so weit östlich ist war ich noch nie dort !!
und was heißt „Glacis“eigendlich?! der Diebstahl der Namen hat doch System gehabt nach der Wende (Fucik,Thälmann,Einheit,Leningrad,u.s.w.u.s.f.)
grussi…….
@jensi: der Diebstahl hatte wohl eher ein paar realsozialistische Jahrzehnte zuvor System (Stübel, Wilsdruff / König Johann, Albert & Carola, Christian, usw. usf. )…
Und Glacis ist ein Bestandteil der alten Verteidigungsanlage vor der Stadtmauer rings um Altendresden (die heutige Innere Neustadt)
Es gibt „on a street“ und auch „in a street“, aber ganz sicher nicht „at a street“.
Wenn man kein Englisch kann, sollte man es lieber lassen!
@Ich: Englisch wäre nur „on the road“ oder „in the street“. „On the street“ geht nur im Amerikanischen. Wenn schon denn schon…
@Lehrerin: Den meisten Amerikanern ist jedoch bekannt, dass sie Englisch sprechen.
„in the street“ – So ein Quark! „Lost at Hoyerswerdaer Straße“ ist dichterische Freiheit. Wenn man kein Gefühl hat, sollte man es lieber lassen oder zu PEGIDA gehen. =)
@Thorsten: Na klat „in the street“, kommt halt auf den Bezug an! Und „at“ hat nichts mit dichterischer Freiheit zu tun, dass ist einfach nur falsch! Und steck dir deine *** entfernt – siehe Hausordnung *** Pegida mal lieber in den *** entfernt – siehe Hausordnung ***!
@Lehrerin: Sowohl in England als auch in Amerika!
Wie schon gesagt, wer keine Ahnung hat, sollte es sein lasssen.
Unbedingt noch zu erwähnen ist der Uhrmacher Herr Feldmann. Solide Handwerksarbeit und immer lustige Chronometer im Schaufenster.