Montag, zehn Minuten nach Zwei im Blue Note in der Görlitzer Straße. Mario schenkt noch einen Gin-Tonic ein, Bombay natürlich. „Eigentlich habe ich die ganze BRN durchgemacht“, sagt er. BRN, das wissen die Neustädter, steht als Kürzel für die „Bunte Republik Neustadt“, jenem Drei-Tage-Staat der langen Nächte.
Nun ist die Party gelaufen, alle sind zufrieden. Die Kneiper: verständlich bei rund 30.000 Gästen. Die Polizei: Es gab keine Ausschreitungen. Und die Bewohner, die einen, weil sie mitfeierten, die anderen, weil jetzt endlich wieder Ruhe ist.
Drei Tage voller Leidenschaft: Staunen, Gaffen, Flirten, Tanzen, Trinken, Leben auf der Straße – ein buntes Fest mit bunten Leuten. André etwa, der mit seinen verrückten Techno-Rhythmen dem Kunsthof einheizte, die Massen zum Toben brachte und trotz größter Anspannung nie das Funkeln aus den Augen verlor. Oder die süßen Mädels, die vor Jim Beam’s Bar ihre Körper zucken ließen und dabei das Autodach eines überdimensionierten Geländewagens zerbeulten. Begeisternd war dann auch die Ausdauer der im Neustadt-Alltag eher schlapp wirkenden Punker vom Merkwürden, die auf dem Alaunplatz erfolgreich dem Jesus-Love-Convoy getrotzt haben. Sie spielten länger – und lauter.
Das einst fröhliche Anarcho-Kind BRN ist groß geworden. Es hat die Kinderkrankheiten überstanden, stand kurz vor dem Ableben, um nun als der nette Junge von nebenan mitten im Leben zu stehen.
Jetzt ist die Party vorbei, alles geht den gewohnten Gang, und mein Gin-Tonic ist wieder leer. „Noch einen?“ fragt Mario. „Nein, ich zahl dann mal.“ Ich gehe raus auf die Straße: gähnende Leere, wo ein paar Stunden zuvor noch Tausende getanzt und gelacht haben. Sogar der Müll ist verschwunden.
Ein paar Rabauken, ziemlich betrunken, torkeln auf mich zu: „Kennst du die Scheune?“ Da ist doch nichts mehr los, denke ich, spare mir aber die Erklärung. „Um die Ecke links, könnt ihr nicht verfehlen.“ Ich ziehe weiter und genieße die Ruhe in den Straßen. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir die langen Neustädter Nächte nicht jedes Wochenende feiern.