Grell blinken mich die Blaulichter auf der Lutherstraße an. Vier dunkelgrüne Einsatzwagen sind gerade eingebogen – Bundesgrenzschutz. Neugier macht sich breit, nichts wie hinterher. Die Gedanken überschlagen sich: Am Nachmittag gab es Fußball und Demonstrationen, gibt es wieder mal Krawall in der Neustadt?
Die Wagen biegen von der Pulsnitzer vorsichtig in die Louisenstraße. Vor ein paar Jahren waren solche Fahrzeuge noch viel öfter hier unterwegs. Als irgendwelche bedepperten Glatzköpfe mitten in der Nacht das besetzte Haus in der Louisenstraße angriffen und mit fliegenden Flaschen begrüßt wurden.
Damals war ich gerade mit dem Rad unterwegs und konnte das Treiben aus sicherer Entfernung beobachten. Die grünen Wagen kamen nach einer ganzen Weile angebraust, und der Pulk löste sich ziemlich schnell auf. Fünf Minuten lang heulten noch die Sirenen bis auch der letzte Neustädter seine Nachtruhe abgeschrieben hatte und eine ältere, leicht bekleidete Dame lautstark um Ruhe bat. Daraufhin zogen sie wieder ab.
Heute bin ich dichter dran, wäre beinahe aufgefahren, als die BGS-Truppe an der Kreuzung zur Rothenburger unvermittelt stoppt. In dem dichten Sonnabend-Verkehr aus Party-Suchenden und heimlichen Aus-der-Neustadt-Flüchtenden müssen auch die Beamten bremsen. Trotz der leuchtenden Signale. Denn noch immer drehen sich die Blaulichter auf den Dächern.
Mir kommt ein leiser Verdacht. Wenn es wirklich ernst wäre, warum tönt dann kein Martinshorn. Kein Tatü-Tata, die Polizisten sind sehr leise unterwegs. Außerdem, meist sind solche Einsatztruppen aus anderen Städten, aus Chemnitz oder Leipzig. Und wirklich, nachdem der kleine Konvoi von der Rothenburger wieder auf die Bautzner Straße biegt, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Die haben sich einfach nur verfahren, keine Randale, keine Überfälle. Nur ein BGS-Trupp auf Abwegen.
Vorm Albertplatz stellen sie sich dann brav in die Schlange und ein Beifahrer blättert hektisch in einem Atlas. Über Schleichwege fahre ich zum Bahnhof Neustadt. Dort stelle ich fest, dass die grünen Neustadt-Besucher auch gerade ankommen und nun, nach erfolgreicher Mission, ihre Lichter ausschalten. Meldung an den Einsatzleiter: Die Neustadt ist zwar nicht ruhig, aber sehr friedlich.
Nachtrag 2010
Seit dem 1. Juli ist aus dem Bundesgrenzschutz (BGS) die Bundespolizei geworden. Die ist allerdings wesentlich seltener zu Sondereinsätzen unterwegs, das übernimmt inzwischen die Bereitschaftspolizei. Außerdem sind die Fahrzeuge der Polizei nicht mehr grün und Atlanten zur Navigation werden auch nicht mehr verwendet.