Am Nachmittag trafen sich in strahlendem Sonnenschein rund um den Goldenen Reiter Aktivisten, um eine Festung Europa zu fordern. Auf der Hauptstraße versammelten sich Gegendemonstranten, die mit Pfeifen und Sprechchören ihren Unmut über diese Kundgebung zum Ausdruck brachten.
Ich spaziere vom Carolaplatz aus zum Versammlungsort. Aufgrund meines Spazierschrittes werde ich von jugendlichen Outdoor-Klamotten-Trägern als Scheiß Deutscher und Rassist identifiziert. Das passt mir ganz gut, will ich mich doch unters „Volk“ mischen. Am Neustädter Markt empfängt mich ein freundlicher Hauch von bunten Fahnen. Die russische weht neben der israelischen, die deutsche neben der identitären. Die Fahnenstangen ähneln Angelstangen, die längsten verfügen über Teleskopfunktionen. Geplauder in nettem Ton rauscht an meinem Ohr vorbei. Ein paar rassistische Witze, ein bisschen Genörgel über „Muttis Politik“, alles in allem gemütliche Nachmittags-Stammtisch-Atmosphäre. In beige gekleidete Rentner stehen neben kraft- und bierbauchstrotzenden Thor-Steinar-Typen. Soweit, so langweilig. Wenn da nicht dieses Pfeifkonzert nebenan wäre. Dort haben sich die „Gepida“-Demonstranten versammelt, das Publikum ist jünger, lauter und deutlich schwärzer angezogen. Und irgendwie noch lange nicht heiser. Und hier werde ich dann doch trotz tarnender Altherren-Mütze erkannt. Zwischen den Fronten, komplett in schwarz und schwer bewaffnet, die Polizei. Doch die Auseinandersetzungen bleiben verbal. Detail am Rande, beiderlei Ordner scheinen auf den selben Ordner-Armbinden-Lieferanten zu setzen.
Mit einigen Minuten Verspätung beginnt die Kundgebung. Mittels mächtiger Lautsprecher wird eine Hymne ins „Volk“ geworfen, der erste Redner ist sich sicher: „unsere Anlage ist lauter als alle Pfeifen“. Nun, wenn man im vorderen Drittel steht, mag das stimmen, weiter hinten schauen einige Rentner schon etwas ängstlich. Ob es wirklich bei Wortgefechten bleibt?
Inzwischen hat Tatjana Festerling neben einem Flieder-Strauß mit ihrer Rede begonnen. Sie spricht von einer Bedrohung durch die weltweite Völkerwanderung. Sie weint dem untergehenden Deutschland mehrere Tränen nach. Ein eingeschüchtertes Volk macht sie aus. Ein Land, dass sich nicht mal mehr eine Nationalmannschaft leisten kann und Jogis Truppe nur noch „die Mannschaft“ nennt, ein Land, dass nicht mehr stolz auf seine Autos sein kann und… Ach, es ist einfach zu viel, was Frau Festerling traurig stimmt. Aber die offenbar ebenso traurigen Menschen rundherum, nicken, klatschen und grölen zustimmend.
Ich entferne mich von diesem Ort. Die Studentengruppe „Durchgezählt“ schätzt zwischen 2.000 und 2.800 Teilnehmer der Festungs-Kundgebung und zwischen 200 und 250 Teilnehmer bei „Gepida“. Scheinbar ist das Interesse an der „Festung Europa“ – ob nun dafür oder – dagegen deutlich kleiner geworden. Am Elbufer hatten sich bei der ersten Festungsveranstaltung noch etwa 6.000 bis 8.000 Teilnehmer versammelt. Kurz nach halb 6 war der Spuk dann zu Ende.
Die Deutsch-Traurigen bekommen aber offenbar nicht genug von der Neustadt. Nächsten Montag lädt der in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilte Lutz Bachmann mit seinen Pegidisten auf den Schlesischen Platz vorm Bahnhof Neustadt zum Abendspaziergang.
Mensch Anton, ich bin überrascht. Ich kann zwar im Moment noch nicht festmachen woran es liegt, aber ich finde Deine Schilderung gut. Ehrlich.
Leid tut mir, dass Du von Rassisten rassistisch, chauvenistisch und menschenfeindlich als „Scheiß Deutscher und Rassist“ bepöbelt wurdest. Hoffen wir, es waren nicht solche Vögel, die Du noch tagtäglich versorgen und durchfüttern musst, weil sie selbst zu faul dazu sind. Aber sei’s drum, wichtig ist nur eins: Du hast keine Pflastersteine, Flaschen oder Brandsätze gegen den Kopf bekommen. Darüber bin ich sehr froh.
Aber man sieht, wenn Idioten dahin gehen, wo die anderen Idioten sind, nur um Stunk zu machen, dann kanns brenzlig werden.
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Herr Lutz Bachmann ist überhaut gar nicht verurteilt worden! Ein Urteil ist es erst wenn es rechtskräftig ist. Da Staatsanwaltschaft und Verteidigung das jetzige Urteil angefochten haben ist Lutz Bachmann weder verurteilt noch sonst irgend etwas. Das ist Verleumdung was hier behauptet wird.
@axel: Ein Richter fällt ein Urteil. Demnach ist er in erster Instanz verurteilt worden. Gegen das Urteil hat hat Bachmanns Verteidigerin Berufung eingelegt. Wenn er nicht verurteilt worden wäre, hätte sie keine Berufung einlegen können. Und bis die Berufungsinstanz das Urteil nicht aufgehoben hat, bleibt er verurteilt. Einzig die Bestrafung erfolgt noch nicht, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Da Lutz Bachmann sich nach Südafrika abgesetzt hat um einer Gefängnisstrafe zu entgehen ist er mindestens einmal rechtskräftig verurteilt.
So weit ich gelesen habe, hat der Richter im Prozeß gegen Bachmann nur die „wichtigsten“ Vorstrafen vorgetragen, das seien immerhin schon sieben gewesen. Insofern ist Herr Bachmann bereits verurteilt worden. Wie man nachlesen kann, waren das früher solche „Kleinigkeiten“ wie Einbruch, Diebstahl, Drogenbesitz und -handel, Körperverletzung und zuletzt 2014 Verletzung der Unterhaltspflicht. Da passt die aktuelle Verurteilung doch gut ins Bild. Ja, jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient, wenn er früher Mist gebaut hat. Aber bei zwei Handvoll versiebter Chancen würde ich dann doch eher von einer erheblichen Charakterschwäche ausgehen, um das mal vorsichtig zu formulieren. Selbst wenn ich das Abendland so sehr in Gefahr sähe wie die Pegida das tut, würde ich mir dennoch nicht gerade diesen Musterknaben aussuchen, um die hiesigen Werte zu verteidigen. Unsere Werte sind ja durchaus auch in unsere Gesetzgebung und Rechtsprechung eingeflossen. Jemand mit diesem ansehnlichen Vorstrafenregister erscheint mir da als Verteidiger ebendieser Werte doch eine sehr seltsame Wahl.
…ich kann mir nicht vorstellen, das Lutz gewählt wurde ;)
Ich war lange nicht auf den Gegendemos, weil die Peggys eh zuviel Aufmerksamkeit kriegen, aber nächste Woche? Da mach‘ ich ne Ausnahme! Ihr halbdeutschen Jammerlappen habt bei uns nichts verloren :)!
Sei nicht so kleinlich, unser Adolf selig saß doch auch vorher im Knast und es hat ihm ja auch nicht geschadet.
Das vom Betrachter aus gesehen rechte Transparent in Bild 5 beweist, dass der Dativ dem Genitiv sein Tod ist. :-)
Oder fehlte der Mut „gesellschaftlichen Antifaschismus“ regelgerecht zu gendern?
Im Übrigen hatten wir „gesellschaftlichen Antifaschismus“ schon mal in Dresden. Und zwar von Oktober 1949 bis November 1989.
PS: Danke an den Blogwart für den Bericht. Ich läse gerne mehr soetwas.
@Anton,
mal ne Frage betr. Bild 1 von 5:
Die Frau ganz, ganz li. im Bild ist das die Frau Feserling ?
Oder kann ich einen Regenschirm nicht von einem Microfon
unterscheiden ? Oder ist das gar keine Frau ?
Netter Beitrag heute. Mehr davon. :-)
I.
@Insider: Es ist nur eine Frau auf dem Bild und die steht ziemlich weit rechts. ;-)
@Anton: finde den artikel ebenfalls sher gut differenziert geschrieben, kompliment!
@Karsten: „wenn Idioten dahin gehen, wo die anderen Idioten sind, nur um Stunk zu machen“….trifft die sache meines erachtens sehr gut!
„Detail am Rande, beiderlei Ordner scheinen auf den selben Ordner-Armbinden-Lieferanten zu setzen.“
Interessante Beobachtung. – Haben Gepida und Pegida am Ende des Tages ähnliche Strategien und Ziele? So wie Pegida und ISIS ja im Prinzip die selben Forderungen haben (Todestrafe, Handabhacken, mehr Tradition, weniger Freiheit).
Mit Palestinensischen Volksbefreiungsgrüßen,
Torsten
ganz links mit Regenschirm, das ist ein ganz „sympatischer“ Pegida-Anhänger mit Halbglatze und Bierbach.
Der Beitrag von Anton Launer ist ganz toll, bitte mehr davon.
Wie kann man einem Rattenfänger wie Herrn Bachmann hinterherlaufen?
Für mich total unverständlich. Festerling soll dort bleiben, wo sie hergekommen ist.