Will man einen Artikel über die Leihgarde schreiben, weist der freundliche Schneidersmann, der dort zwischen Bergen aus Tüll, Pailletten und Fell werkelt, hinüber in den Second Hand Laden B&B. Dort befindet sich das Telefon, und auch die Chefin Yvonne Kühne. Mit zotteliger Weste, Kopftüchlein und Matrosentuch steht sie in puncto Extravaganz ihren Schaufensterpuppen kein bisschen nach. Hunderte Garderobenstangenkilometer Klamotten nennt sie ihr Eigen – da reicht ein einzelner Laden nicht aus.
Selbst wenn sich jemand entschlösse, sein Outfit zehn Jahre lang jeden Tag dreimal zu wechseln, erschöpfte sich der Fundus von Yvonne Kühne wohl nicht. „Unser Laden ist wie der süße Brei“, sagt sie. „Er wächst und wächst.“ Mittlerweile gibt es Termine für den Ankauf von Kleidung. „Sonst werden wir der Sache nicht Herr.“ Angefangen hat alles auf der Freiberger Straße, aber schon nach einem halben Jahr zog es die geschäftigen Frauen in die Neustadt. „Vor der Wende hießen solche Läden A&V. Aber die gab es dann seltener. Die Händler setzten lieber auf Neuware“, erzählt Bianka. Im hippen Zeitalter der Flohmarktanbeter allerdings boomt das Geschäft.
Schnell zog das B&B von der Louisenstraße 3 auf die Alaunstraße und wucherte von dort emsig weiter. Im Jahr 2005 eröffnete die Leihgarde. Dort näht Schneider Steven Kostüme und Mode, die im Fummel & Leinen neben dem B&B feilgeboten wird. Yvonne Kühne führt durch den lang gezogenen Raum, der gar kein Ende nehmen will. Vor einem Fenster schnäbeln in einer Voliere die beiden Wellensittiche „Prinzessin“ und „Alter Sack“. „Unsere gefiederten Mitarbeiter“, kichert Yvonne. Dann wandelt sich der Raum. Oh Wunder, wir wandern durch ein plüschiges altenglisches Cottage! „Das gehört ebenfalls zu uns. Vor zwei Jahren aus dem Hinterhof eingezogen“, erklärt die Besitzerin. Vorne Glockenröcke, hinten Mopsstatuetten mit Kopfhörern – zwei Läden in einem. „Aber noch einen eröffnen wir nicht!“, da sind sich Mutter und Tochter einig.
Es gibt auch so genug zu entdecken. In der Leihgarde bersten die Kleiderständer vor Lederhosen und Dirndln, dazwischen hat Superman seinen Anzug hängenlassen. Yvonne selbst hat kein Faible für’s Verkleiden. „Über den Punkt ist man irgendwann hinaus.“ Andere dagegen gehen für einen Fummel aus der Leihgarde durch Glas. Letztes Jahr wurde nächtens unter sehr viel Scherben eine komplette Schaufensterpuppe mit Pelzjacke geklaut. „Die Puppe habe ich dann blutverschmiert am Albertplatz wieder gefunden“, sagt Yvonne. Ausleihen wäre auf jeden Fall verträglicher gewesen …
Informationen und Öffnungszeiten
- Leihgarde: Alaunstraße 16 … seit 2017 geschlossen
- B&B Secondhand / Fummel und Leinen / Cottage 17: Alaunstraße 17, Montag bis Freitag 11 bis 19, Sonnabend 11 bis 16 Uhr
Hallo Philine,
hast du da beiläufig ein Matrosenkostüm in meiner Größe rumhängen sehen?
Dein Snuff