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Vom Eise befreit sind nur die Straßen

Ein kurzes Knistern, dann wäre es auch schon zu spät gewesen. Krach, einen halben Meter hinter mir zerbricht eine Eisscholle auf dem Fußweg. Das kommt vor im Winter. Erst gefriert der Schnee in der Nacht. Dann, wenn die Mittagssonne die Dächer erwärmt, geraten die Eisbatzen ins Rutschen. Entsetzt sehe ich mich um. Die Menge an kleinen weißen Splittern ist riesig und deutet auf einen großen Brocken hin. Wenn ich das auf den Kopf oder auf die Schulter bekommen hätte, könnte der junge Mann sein Handy mal sinnvoll gebrauchen. Jetzt lümmelt er an der Haltestelle und amüsiert sich über meinen Schrecken. Wahrscheinlich erzählt er alles haarklein seiner Freundin, hören kann ich ihn nicht.

So ein krachender Eisbatzen hat aber auch Vorteile, immerhin gucke ich jetzt etwas genauer auf die Dächer. Das heißt, eigentlich sieht man ja nur die Dachrinnen. An einer hängt ein Eiszapfen und der tropft. Schon wieder so ein unkontrollierter Tauvorgang mit fatalen Folgen. Denn die kleinen kalten Tropfen landen auf dem eisig kalten Boden. Vor lauter Schreck über die erneute Kälte wechseln sie fix den Aggregatzustand. Und schon nach kurzer Zeit hat die Neustadt eine neue Schlitterbahn. Hoffentlich haben die Besucher des Seniorentreffs an der Rothenburger Straße ordentliches Profil an den Schuhen und Stöcke mit Eishaken, denn die Schlitterbahn liegt direkt auf dem Weg zur Haltestelle.

Durch diese Erlebnisse aufgeschreckt, sehe ich mir die Neustädter Fußwege mal genauer an. Gestreut ist hier fast nirgends. Vom Eise befreit sind nur die Straßen, dort fallen auch keine Eisbrocken hin. Das aber noch nicht einmal die unzähligen Gastronomen vor den Lokalen streuen, verwundert mich dann doch. Soll die Kundschaft etwa ziellos vorbeischliddern. Und so ein bisschen Sandstreuen ist wohl nicht zu viel verlangt.

Wieder kracht es und scheppert. Nein, es ist kein neuer Eisbatzen vom Dach gefallen. Ein Radfahrer hat sich langgelegt. Nun flucht er wütend, ihm ist nichts passiert, nur das Schutzblech ist hin. Mein Mitleid hat er nicht, warum fährt er auch auf dem Fußweg. Dem jungen Mann an der Haltestelle muss die Szene gut gefallen haben, denn prompt zückt er sein Handy und fängt wieder an zu erzählen.

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