Erst ein leichter Stoß von der Seite, dann ein kräftiger in den Rücken. Meine rechte Hand sucht verzweifelt nach einem Halt. Am verschwitzten T-Shirt eines hüpfenden Jungen kann ich meinen Absturz bremsen. Der hält kurz inne, versetzt mir einen weiteren Stoß und ich habe mein Gleichgewicht wieder gefunden. Glücklicherweise hatte ich die Flensburger-Flasche noch nicht geöffnet, sonst wäre das schöne Bier auf den Teppich geflossen.
Ich bin mitten in einer Geburtstagsparty. Fünf Jahre Groovestation. Der Klub oder besser Party-Schuppen oder vielleicht doch eher Billardkneipe, egal, die Groovestation hat sich jedenfalls zu einer festen Größe in der Neustädter Kneipenlandschaft entwickelt. Angefangen hatte alles als Waschsalon mit Shop im Shop-Konzept und Biertresen.
Doch Betreiber Klaus sah bald ein, dass man mit Waschmaschinen niemanden mehr locken kann. Selbst in den schlichtesten Studenten-Wohngemeinschaften steht heute ein Vollautomat. Also wurden die Reinigungsgeräte in die Hinterräume verlagert, dafür erhielten ein paar Billardplatten eine Einreisegenehmigung. Die Groovestation entwickelte sich zur Spielhölle. Auch die Idee mit den Läden war bald ausgeträumt, mehr Platz musste her, die Gäste wollten tanzen.
Inzwischen ist die Groove, wie der Volksmund zärtlich abkürzt, zum Szenetreff geworden. Hier wird nicht nur Rock’n’Roll gespielt, nein hier lebt er noch. Mindestens einmal pro Woche spielt eine Band auf. Meist ist es ziemlich hart und schnell, immer aber laut und dreist.
Jetzt steht gerade eine freche Blaskapelle auf der Bühne. Ihre schmetternden Akkorde sind es, die den Jungen vor mir inzwischen wieder hüpfen lassen. Dann schreit er, heiser ist er schon längst. Doch die freche Kapelle hat einfach aufgehört. Es gibt keine weitere Zugabe. Ein Langhaariger macht sich am Plattenspieler zu schaffen.
In der Zwischenzeit springt Elvis auf die Bühne, natürlich nicht der Echte, noch nicht mal eine Imitation, der Bursche wird nur einfach von allen so genannt. Er zieht noch mal den Haargummi zurecht, räuspert sich und ruft ins Mikro: „Heute gehen alle Wünsche in Erfüllung.“ Ein paar flotte Sprüche später, die Plattenteller sind jetzt auf Betriebsgeschwindigkeit, ist die ganze Bühne voll mit Leuten, die verzückt ihre Arme durch die Luft werfen und die Hüften im Rhythmus der Musik schwingen.
Ich hab genug gesehen, verziehe mich mit meinem Flensburger und lass die Leutchen alleine feiern. Alles Gute noch und jede Menge heiße Partys.