Seit zehn Jahren hält das „Fussfidel“ am Laufen und stellt auf die Füße. So manche Wandertour wäre ohne die Maßarbeit des Orthopädiegeschäfts nicht möglich gewesen. Am 18. November feiert es zehnten Geburtstag. Zeit für ein Porträt.
Es ist Freitagmorgen und für Kunden bleibt die Tür des Fussfidel noch geschlossen. Also, eigentlich. Schon wieder lehnt sich ein Herr mit erwartungsvollen Augen und einem paar Schuhen im Arm gegen die Tür. Renatus Meyer springt auf: „Jörg, könntest du kurz? Das ist Herr Weber.“ Der ist Stammkunde und kennt die Öffnungszeiten nicht. Also, eigentlich.
„Wir nehmen uns Montag und Freitag Zeit für Anproben, Termine, Schriftkram“, erklärt Besitzer Renatus Meyer. Aber einen Kunden sehenden Auges abzuweisen, schafft er nicht immer. Wir sitzen in einer gemütlichen Ecke unter einer alten Stofflampe. Die Füße ruhen auf einem orientalischen Teppich. Aus dieser Perspektive könnte das Fussfidel ein kleines Café sein, wären da nicht der strenge Geruch nach Leder, das Laufband und die anatomischen Poster an der Wand.
Gerade hebt Kollege und ehemaliger Azubi Jörg Kleinfeld ein Paar schwarzglänzender Schuhe vom Tresen. „John Lobb“, bemerkt er bewundernd und wirft dem Meister einen vielsagenden Blick zu. „Hoflieferant des englischen Hofes, ein Maßschuhmacher aus London“, erklärt Renatus. Hölzerne Leisten für ein eigenes Paar Maßschuhe hängen über einem Balken im Raum. „Ich könnte, wenn ich wollte“, sagt Rentaus lachend. „Aber nach einem langen Tag in der Werkstatt…“ Zwar nimmt das Fussfidel auch Reparaturen vor, der Fokus liegt aber auf etwas anderem: „Wir fertigen Schuhe für Menschen, die ohne diese nicht laufen könnten.“
Schau-Fuss-Sprößling
Renatus Meyer beschloss schon früh, sich um das Wohl weher Füße zu kümmern. Seine Eltern sind Besitzer des Schau-Fuss-Ladens, der vor zwei Jahren auf die Rothenburger umzog. Bevor Sprößling Renatus sich auf der Alaunstraße in direkter Nachbarschaft zum elterlichen Geschäft sesshaft machte, tourte er rund um den Globus. Immer im Dienste des gesunden Treters. Nach dem klassischen Chronologie Abi-Zivi-Pausenjahr absolvierte Rentaus eine Ausbildung als Orthopädieschuhmacher. Dann reiste er ein halbes Jahr nach London, arbeitete zwei Jahre im Schwarzwald, ging nach Tokio und Sapporo, um dort zu lernen und zu lehren. „Das Orthopädiehandwerk entstand in Deutschland, Österreich und der Schweiz“, erklärt er. Das resultierte aus den zahlreichen Opfern des Zweiten Weltkriegs, denen mit speziellen Schuhen bei fehlenden Gliedmaßen geholfen wurde.
Kunden tragen Schuhe um die Welt
Vollgepackt mit Wissen und Erfahrung machte Renatus seinen Meister und eröffnete 2006 sein eigenes Geschäft in Dresden. Bei den Erzählungen zur Gründung spricht er in der Wir-Form, dabei war er die zwei ersten Jahre allein. „Ich hatte viel Zeit, um vor der Tür zu sitzen, mit Freunden zu quatschen und Zigaretten zu rauchen“, erinnert sich. Jetzt ist der Terminkalender so gefüllt, dass zeitweise keine Reparaturen angenommen werden.
Renatus bleibt am Platz, aber seine Schuhe tragen Kunden um die Welt. Er zeigt die Dankeskarte eines Wanderers, der seine knapp 500 Kilometer lange Tour durch Schweden ohne seine sensomotorischen Schuhe nicht geschafft hätte. „Die bekommt noch einen Rahmen“, sagt Renatus.
Orthopädie-Schuhmacher – FussFidel
- Renatus Meyer Orthopädie-Schuhmacher, Alaunstraße 41, 01099 Dresden, www.fussfidel.de
- Öffnungszeiten: Montag 10 bis 13 Uhr, Dienstag und Donnerstag 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 13 und 14 bis 20 Uhr, Freitag 14 bis 18 Uhr.
Fotos: Thomas Alexander Leikauf