Für einen gemütlichen Spaziergang durch die engen Gassen und Hinterhöfe der Dresdner Neustadt lasse ich alles stehen und liegen. Besonders, wenn die Abende so herrlich mild sind, wie in den vergangenen Tagen. Vor allem in den etwas abgelegeneren Straße ist es herrlich ruhig. Zum Glück sind nicht alle Höfe abgeschlossen, denn hier verdecken sich die wahrhaft idyllischen Plätzchen mit uralten riesigen Bäumen und Sandsteinmauern. Bilder, so friedlich, dass es schon fast kitschig ist.
Zurückgekehrt auf das pulsierende Leben auf der Louisenstraße werde ich Ohrenzeuge. Hinter mir läuft ein junges Pärchen, beide Mitte Zwanzig, Studenten vielleicht. Dem Gespräch entnehme ich, dass er wohl in der Neustadt wohnt und sie ihn hier besucht. Schon nach kurzer Zeit höre ich, dass auch die beiden über das Thema reden, welches die Neustadt seit anderthalb Wochen in Atem hält: Die Bunte Republik, die Krawalle und die Polizeieinsätze. Er erzählt, wie er riesige Umwege laufen musste, um nach Hause zu kommen und wie er zwischenzeitlich Reißaus nahm, weil er irgendwie zwischen Randalierer und Ordnungsmacht geraten war. Ich kann es förmlich spüren, wie sie den Kopf schüttelt: „Warum nur, ich versteh das nicht.“
So richtig verstehen will es keiner, die Schuld wird von einem zum nächsten geschoben. Bedauern wird ausgesprochen, aber dass irgendjemand mal aufsteht und sagt: Dieses und jenes hab ich falsch gemacht, da müssen wir drüber nachdenken.
Vielleicht kommt das aber noch. Heute Abend wäre eine gute Gelegenheit. Im Stadtteilhaus an der Prießnitzstraße treffen sich verschiedene Gruppen, denen die Neustadt am Herzen liegt. Mit dabei unter anderem die IG Äußere Neustadt, die sich seit Jahren für das Viertel und für eine schonende Sanierung stark macht, der BRN e.V., der sich als Veranstalter des Festes nach Fehlern und künftigen Konzepten fragen lassen muss und die Polizei, die nicht unbedingt die glücklichste Strategie gewählt hatte. Hoffentlich kommen auch viele engagierte Neustädter.
Das Pärchen hinter mir hat wohl inzwischen mitbekommen, dass ich lausche, jedenfalls haben sie ihren Schritt deutlich verlangsamt und ich kann nichts mehr hören. Wie zum Abschied werfe ich noch mal einen Blick zurück und sehe, wie sie heftig den Kopf schüttelt, der Pferdeschwanz wippt von Schulter zu Schulter. Vielleicht sehe ich sie wieder im Stadtteilhaus.