Drei große Instanzen tragen Matthias Heidrich durch’s Leben: seine Frau, sein Mini und sein Laden. Eine zieht er bei geschäftlichen Fragen zurate, eine macht ständig Ärger mit dem Ordnungsamt und bei einer übernachtete er auf der Luftmatratze, als das Hochwasser Druck machte.
Matthias Heidrich steht an seinem Pult und tippt auf seinem Laptop. Ein herber Duft nach Leder würzt die Luft. Das kleine Ladengeschäft birst förmlich vor Taschen. „Gucken Sie sich lieber nicht um, gucken Sie zu mir!“, sagt er lachend. Eine Lieferung stapelt sich und muss verstaut werden. Aber vorher nimmt sich Matthias Heidrich Zeit für ein Gespräch – und für einen Gang in den Eisladen nebenan. Es ist Frauentag und Heidrich ist ein Mann der alten Schule. Zurück kommt er mit einer Kugel Schokolade für mich, einem Kaffee für sich und Viertel-Neuigkeiten.
Seit 2002 ist Heidrich mit seinem Laden in der Neustadt ansässig. Gleich kurz nach dem Start bekam er nasse Füße, als die Flut den Keller vollpumpte. „Es gab keinen Strom und damit kein Licht und keine Kasse“, erinnert er sich. Die Brücken drohten gesperrt zu werden. Wie am nächsten Tag von zuhause über die Elbe in die Neustadt kommen? Kurzerhand übernachtete Heidrich mit Konserven im Gepäck auf einer Luftmatratze im neuen Laden. Der Beschützerinstinkt.
Der Anfang war also etwas holperig, denn kurz nach dem Hochwasser hatten die Leute anderes im Kopf als Taschen und Handschuhe. Beides nennt Heidrich als sein Steckenpferd. Ungepolsterte Umhängetaschen aus dickem Sattlerleder, Geldbörsen, Schlüsseltäschchen, Lederhandschuh, Gürtel – das alles findet sich im Raumwunder Lederpunkt. „Der Name leitet manchmal Kunden in die Irre. Mit Reparaturen kann ich nicht dienen. Aber ich wollte nicht einfach Lederwaren Vorname Nachname heißen“, sagt er.
Matthias Heidrich ist Quereinsteiger. Lange arbeitete er im VEB Elaskon, nach der Wende pendelte er in den Westen. „Und jetzt kommt’s: Ich habe doch noch eine Frau!“ Diese arbeitete als Chefin für Qualitätskontrolle in der Kunstlederindustrie und machte sich 1990 als Handelsvertreterin selbstständig. Während seiner Pendlerzeit begleitete der Gatte sie auf Messen und fand Gefallen am Metier. Heidrich befand, er hätte genug unter der Fuchtel eines Chefs gestanden. Hinzu kam die leidige Fahrerei – er machte sich ebenfalls selbstständig und bezog das Geschäft an der Bautzner Straße, vormals geführt von Frau Wurm.
„Ich könnte gar nicht woanders hinziehen“, bekräftigt er die Verbundenheit zum Viertel. „Wenn meine Kunden nach zehn Jahren eine neue Tasche wollen, finden die mich ja nicht mehr.“ Das Sortiment stimmt er auf sein Neustadtpublikum ab. Wir erinnern uns gemeinsam schaudernd an Rucksack-Verbrechen (als die Billighülsen gern unter dem Hintern baumelten) und diskutieren die Vor- und Nachteile von Lederranzen. Ab und an kommt ein Kunde in den Laden. Nein, für Baskenmützen müsse der Herr nur wenige Meter weiter, da sitzt doch die Spezialistin. Ja, gleich raus und links.
Vor der Tür stehen zwei schwarze Schlitten, wo sonst der geliebte Mini parkt – der handtaschengroße Dorn im prüfenden Auge des Ordnungsamtes. Heidrich hat Fotos parat, die ihn als Parksünder entlasten. „Man sieht doch, dass der als Lieferwagen zu mir gehört!“
Lederpunkt
- Bautzner Straße 14, 01099 Dresden
- geöffnet Montag bis Freitag 10 bis 19, Sonnabend 10 bis 14 Uhr
- www.lederpunkt-dresden.de