Den ganzen Tag schon bin ich richtig gut gelaunt – ich verreise nämlich für einige Tage. Seit Wochen rede ich mir ein, dass ich den Urlaub auch verdient habe. Mein motorisiertes Gefährt habe ich auf der Alaunstraße abgestellt, genau fünf Zentimeter neben dem Bürgersteig und mit reichlich Platz zum Vorder- und Hintermann. Eben war ich noch den Luftdruck in seinen vier Reifen prüfen, die verschlierten Scheiben von Mückenresten befreien und tanken. Einen Kaffee will ich noch trinken gehen, dann werden die Reisesachen verladen und ab ins Blaue. Das Meer ist mein Ziel. Ich werde es sehen, mein Auto allerdings nicht; doch davon ahne ich noch nichts.
Der Milchkaffe in der Kunsthofpassage im El Perro schmeckt wie immer cremig. Bekannten, die ich im Café treffe, erzähle ich von meinen Urlaubsplänen – ob sie es wissen wollen oder nicht. Mit Zelt, Proviant und etwas Kleingeld an die Küste, Sonnenuntergänge genießen, Rotwein trinken und vielleicht auch mal ins Fischrestaurant. Die kühlen Fluten will ich erobern, am Strand spazieren gehen, bis die Füße schmerzen und vielleicht mal mit einem Fischerboot raus fahren. Die zwei Stunden in der warmen Sommerluft vergehen wie im Fluge. Auf dem Weg zu meinem treuen Blechgefährten sehe ich einen dicken schwarzen Wagen, der quer auf dem Bürgersteig steht. Als ich näher komme, steigt daraus eine Dame: „Ist das Ihr Auto?“, fragt sie mich mit etwas zittriger Stimme. Dann sehe ich auch schon die Bescherung – mein Auto steht nicht mehr so da, wie ich es verlassen habe. Hinten hat es eine mächtige Beule, die vordere Hälfte steht auf dem Bürgersteig und das quietschgelbe Auto vor meinem ist auch lädiert. „Ist nur ein kleiner Schaden, oder?“, sagt die Frau zögerlich.
Ich bin da etwas anderer Meinung – das eine Hinterrad steht jedenfalls irgendwie schräg. Dann erklärt sie mir, wie es dazu kommen konnte. Ganz langsam sei sie in die Alaunstraße eingebogen und musste plötzlich einen gerade einparkenden Kleinwagen umzirkeln. Was dann passierte, weiß sie selbst nicht mehr so genau: Irgendwie lenkte sie nicht schnell genug zurück und fuhr ungebremst in mein Heck. Mein Auto machte ungewollt einen Satz nach vorn auf das nächste. Gut, dass keiner verletzt wurde. Der Rest ist Sache der Versicherungen. Wenigstens keine Fahrerflucht, denke ich als die grünen Helfer eintreffen. Deren Funkgerät knarzt unentwegt und sie scheinen froh zu sein, dass es hier nur einen Blechschaden zu regeln gibt. Die „Aufnahme der Personalien“ dauert eine Viertelstunde, zwei Fotos macht der Beamte und erklärt dann im besten Sächsisch, dass sie „nu alles hädd’n, was ‚mer bräuschden“.
Jetzt sollte eigentlich mein Urlaub beginnen, wenn ich ein fahrbereites Auto hätte. Zum tausendsten Mal entschuldigt sich die Dame für ihre Unachtsamkeit. Dann vertraut sie mir an, dass sie eine Fleischerei hier in der Neustadt hat. Bevor wir uns verabschieden, verspricht sie mir, dass ich immer ein Wiener Würstchen geschenkt bekomme – wenn ich in ihren Laden komme. Das macht zwar mein Auto nicht wieder ganz, ist aber auch nicht schlecht.