Gemütlich schlendere ich durch die anlässlich des Dixielandfestivals fast menschenleere Neustadt. Vielleicht bemerke ich sie deswegen überhaupt, denn auf meinem Weg zur Elbe sind sie mir nicht aufgefallen: rostige Kotflügel, abgefahrene Reifen, bunt angemalt und hier und da eine Beule. Die Urlauber auf Rädern sind wieder da. In den Straßen der Neustadt parken umgebaute Kleinbusse, alte Lkws und ausgemusterte Militärfahrzeuge mit Fahrradgepäckträgern.
Auf der Louisenstraße nimmt ein solches Ungetüm, das auch schon bessere Zeiten gesehen hat, gleich zwei oder drei Parkplätze weg. Abgeschleppt werden die sicher nicht, aber mancher Kneipenbesucher scheint sie auf seiner Parkplatzsuche schon zu verwünschen. Ich finde sie jedenfalls toll, vielleicht bin ich auch etwas neidisch: Ein langer, billiger und spannender Urlaub. Von Stadt zu Stadt ziehen, neue Leute kennen lernen und immer zu wissen: Wo ich parke, kann ich auch schlafen.
Fast trifft mich die auffliegenden Tür. Ein bärtiger Geselle tritt aus dem schwankenden Ungetüm und brüllt hinein: „Dann fahre ich eben mit Fred, blöde Kuh.“ Ich muss wohl etwas verdutzt dreinblicken – „Hab‘ ich dich getroffen“, fragt er. Ich verneine und er ist sogleich weg. Kurz darauf erfahre ich wieso; wieder fliegt die Tür auf. Eine Frauenstimme schreit: „Brauchst dich nicht wieder her zu trauen.“ Rums, Tür zu.
Auf so engem Raum können die Wochen wohl recht lang werden: Wer zahlt den Sprit, wer kauft Essensvorräte, wer säubert die chemische Toilette, wer entsorgt den Müll.
Aber es geht auch harmonisch: zum Beispiel auf der Aussichtsplattform oberhalb des Alaunplatzes. Dort stehen drei solcher selbstgebauter Camper-Fahrzeuge. Der kleine Fuhrpark hat schon bessere Tage gesehen, dafür haben sie das Flair der weiten Welt. Eine Plane ist zwischen den mobilen Untersätzen gespannt, aus einem Ofenrohr am Heck säuselt eine kleine Rauchfahne, aus dem Inneren dringt Musik, die Fahrräder lehnen am Kleinbus. Außerdem ist hier der beste Rastplatz der Neustadt: Die Aussicht wäre ohne den Nieselregen herrlich. Und der hat längst meine Jacke durchweicht.
So schön das wilde Reisen ist, jetzt freue ich mich auf meine Wohnung: fließendes Wasser, Heizung, Wäscheleine auf dem Dachboden und Bier im Kühlschrank. Die bunte Mischung von Menschen, das Flair von Kunst und Lebensart habe ich schließlich direkt vor der Haustür. Warum also reisen.