Rumms. Der Baum fällt um. Mit einem Stahlseil haben ihn kräftige Arbeiter umgerissen. Jetzt liegt er am Boden und ich kann ihn leise weinen hören. Das Ende der dritten Ecke am heimlichen Mittelpunkt der Neustadt naht mit riesen Schritten. Bisher trafen sich hier an der Alaun-/Ecke Louisenstraße junge Leute um sich leidenschaftlich dem französischen Kugelspiel Boules hinzugeben. Nun ist die Kugelbahn weg und die Bäume fallen einer nach dem anderen.
Als ich so traurig daneben stehe, feixt einer der Arbeiter und fragt ob ich nicht mithelfen will. Als ich mein Bedauern bekunde, lacht er mich aus: „Dafür bekommt ihr hier doch einen schönen Swimmingpool, da könnt ihr schön baden gehen.“ Sein Kollege sieht, dass ich ihm nicht glaube und springt ihm bei: „Ja, das ist doch toll, ein Pool mitten in der Neustadt, wirst schon sehen.“
Rumms. Der nächste Baum fällt um. Mit der Pool-Lösung könnte ich ja leben. Doch leider weiß ich es besser, denn auch die dritte Ecke wird nun zugebaut. Vor einer kleinen Ewigkeit haben ein paar Architekten diese Entwicklung vorausgesehen und symbolisch goldene Ecken auf den damals vier freien Flächen ausgelegt. Zwei davon sind schon bebaut, die dritte soll nun folgen.
Auch in diesem Eckhaus soll es wieder eine Kneipe geben, was mexikanisches diesmal und über mehrere Etagen. Als Alternative zum Griechen gegenüber. Dann wird mir bloß noch die Erinnerung bleiben, als ich mit Freunden an dieser Stelle vor zehn Jahren das Dresdner Oktoberfest feierte, mit Glühwein und Fettbemmen. Immerhin, gastronomisch hat die Kreuzung jetzt eine deutlich höhere Qualität.
Rumms. Nun ist auch der letzte Baum gefallen. Der Bauarbeiter grinst noch einmal und raunt mir zu, dass sie nach Kubikmetern bezahlt werden, jetzt das Soll geschafft haben und endlich in ihren wohlverdienten Feierabend ziehen können. Tja, denke ich, fahrt nur heim in eure Stadtrandlage mit schön viel Grün vor der Haustür. Dass wir in der Neustadt jetzt ein Stück weniger davon haben, soll euch ja nicht interessieren.
Nachtrag November 2004
Das mexikanische Restaurant ist inzwischen fertig, siehe Foto und es heißt Espitas.
Nachtrag 2016
Das Espitas hat sich aus der Neustadt verabschiedet, stattdessen gibt es an der Stelle jetzt gebratenes Hackfleisch.
Nachtrag 2017
Aus dem griechischen Restaurant gegenüber ist 2010 erst eine Schishabar und ab 2017 dann ein vietnamesisches Restaurant geworden.