Steingut, Porzellan und Kristallglas bricht. Bärbel Herrmann und Franziska Beck von der Porzellanklinik Dresden bringen diese Scherben Brot und Erfüllung. Wenn die gläserne Bowleschale der Urgroßmutter, chinesische Vasen oder Steingutteller Elefanten, Trampeltieren und anderen Stürmen des Lebens zum Opfer fallen, reparieren sie die zwei Chirurginnen mit fachkundiger Hand. So manchen Sprung in der Schüssel haben sie bereits gekittet. Ihre Werkstatt ist eine fragile Bastion gegen die Wegwerfgesellschaft.
Der Werdegang von Bärbel Herrmann und Franziska Beck beginnt an dem berühmten sächsischen Ort, an dem Porzellan hergestellt wird: der Manufaktur in Meißen.
Beide genossen eine spezielle Ausbildung. Die eine als Bossiererin – Modellage und Zusammenfügen von Objekten – , die andere als Modelleurin. Die Porzellanklinik eröffnete Bärbel Herrmann zunächst allein. Später stieß Franziska Beck dazu. Außerdem gehören noch die feste Mitarbeiterin Angela Techentin und einen freiberuflichen Mitarbeiter. „Wir müssen ihn immer ein bisschen bremsen, damit es nicht zu morbide wird“, schmunzelt Franziska Beck.
In den Regalen warten die Patienten aus aller Welt. Aus den USA und Österreich, aus Australien und Frankreich schicken Kunden ihre angeschlagenen Herzstücke auf die Glacisstraße. In Deutschland gibt es drei Kliniken dieser Art, eine davon in Dresden. Bärbel Herrmann und Franziska Beck fahren auch nach Chemnitz und Leipzig, um Angeschlagenes entgegenzunehmen. Die Menschen stehen Schlange.
Die Geschichten, die sich um die individuellen Scherbenhaufen ranken, sind tragikomisch. „Erinnerst du dich an die Porzellanpuppe, die der Frau auf den Kopf gefallen war?“, fragt Franziska in Richtung Bärbel. „Als der Mann sie nach der Reparatur abholte, war die Scheidung gerade durch.“ Die Zeit, die die Reparatur braucht, begleitet Wunden und Heilung. Und führt gelegentlich zu der Erkenntnis, dass sich nicht alles kitten lässt im Leben. Geschirr allerdings schon.
„Es ist natürlich alles eine Kostenfrage“, erklärt Bärbel Herrmann, die das Geschäft seit nunmehr über 17 Jahren führt. Risseretuschen werden nach Zentimetern berechnet, Scherben nach Stückzahl. Das Doktern dauert seine Zeit. Fehlende Stücke müssen ersetzt, die richtige Farbe muss gefunden werden. An manchen Stücken verzweifle man nahezu, sagt Bärbel Herrmann. Der Brennofen öffnet sich und wieder hat die Gluthitze nicht das gewünschte Farbergebnis geboren. Dann muss die Glasur wieder abgetragen werden. Das Procedere beginnt von vorn. „Am schlimmsten ist es bei Gelb“, seufzt Franziska Beck. Manchmal komme der Heureka-Effekt zu nachtschlafener Stunde und ganz unerwartet. Es brauche eben die richtige Muße und Inspiration. Auch für verkantete Kannendeckel.
Beobachten könne man, dass verstärkt junge Menschen die Dienste der Porzellanklinik in Anspruch nehmen. Der Hochzeitsteller der Eltern, eine Porzellanfigur vom Flohmarkt – solche ideell wertvollen Stücke sind vielen die Reparaturkosten wert. Vor dem Auftrag ist Bärbel Herrmann ein ausführliches Gespräch wichtig. „Wir müssen die Erwartungen und Möglichkeiten genau abklären, damit es zu keinen Enttäuschungen kommt“, sagt sie. Dürfen Risse noch sichtbar sein oder nicht? „Manche mögen es, wenn die Reparatur bewusst sichtbar bleibt“, erklärt Herrmann. So erzählt der Bruch eine Geschichte. Eine Tradition, die auch in der japanischen Töpferei gepflegt wird, wo Risse mit Gold oder Kupfer verschlossen werden.
Manche Stücke werden mehrmals in die Porzellanklinik eingeliefert. Immer wieder können die geübten Damen flicken und verfugen. Eine tröstliche Erkenntnis. Für manchen hält das Leben viele Tiefschläge bereit. Aber eben auch das richtige Pflegepersonal.
Porzellanklinik Dresden
- Glacisstraße 38
- Telefon: 0351 8210922
- www.porzellanklinik-dresden.de
@Anton
Jetzt lässt also auch Philine schmunzeln…..