Antje Wayandt arbeitet vierzig Stunden in der Woche in einem Schloss. Ihre Kollegen sind es gewohnt, dass sie mit dem Rollkoffer auf Arbeit kommt. Darin befinden sich wahlweise Kostüme für eigene Auftritte oder Equipment für ihre Tanzgruppen. Ihre Tage haben bis zu 17 Stunden, doch von Burn Out keine Spur.
Dienstags unterrichtet sie im Projekttheater, donnerstags auf der Zwinglistraße. Die Stunden bis zum Schlaf verbringt sie mit Selbststudium zum Thema Tanz, wobei „eine halbe Stunde für die Katzen immer drin ist.“ Wie ein Zauberer holt die quirlige Frau Wunder um Wunder aus dem Hut: sie tanzt als „Anima“ mit dem Bauch, spielt mit dem Feuer, erfindet sich bei Bauchtanz-Comedy und -theater neu.
Ich war eine graue Maus
Tribal Fusion heißt der Tanz, den sie neben klassischem orientalischen Tanz unterrichtet. In ihm fließen u.a. Showtanz, Jazz, Hiphop, Burlesque, Robodance zusammen. Antje Wayandt ist die personifizierte Fusion: hüftschwingende Sekretärin, Diva ohne Allüren, ernstzunehmende Komödiantin, regelbrechende Lehrerin, Vollprofi ohne Verbissenheit. Ein Treffen von der Qualität des ersten warmen Frühlingsregens.
„Ich war immer eine dickliche, Brille tragende graue Maus“, sagt Antje Wayandt. „Auf der Straße erkennen mich die Leute nicht, obwohl sie mich auf der Bühne gesehen haben.“ Im Tanz fand sie die Möglichkeit der Metamorphose. Und das Glücksgefühl darüber, zu sein wer und was man ist. „Die größte Herausforderung ist für viele, vor einem Spiegel zu stehen“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Orientalischer Tanz ist eine zutiefst feminine Form des Ausdrucks und bringt Frauen auf spielerische Weise zur Quelle ihrer eigenen Kraft.
Bollywood-Fan
Im Jahr 2005 zog Antje Wayandt von Sebnitz nach Dresden. Plötzlich in der Großstadt, fühlte sie sich verloren. Als Bollywood-Fan suchte sie Kontakt und Anschluss (Stoßgebet: „Lang lebe das Internet!“) über Gleichgesinnte. Ihre Suche endete und ihr tänzerischer Weg begann auf der Katharinenstraße im Studio von Franka Baddura. Das Treffen mit Gleichgesinnten in geplanter Form scheiterte und die Bauchtanz-Ikone lieh, trotz Eile vor ihrem bevorstehenden Auftritt, der etwas entmutigten Antje ihr Ohr. Antje fragte schließlich: „Was ist Bauchtanz?“ Das Initial zu einem Jahresvertrag für Unterricht bei Franka Baddura. „Es war Liebe auf den ersten Rhythmus. Ich fand, was ich gar nicht gesucht hatte.“
Sie wuchs über sich und ihre Zweifel hinaus und lernte, sich voll Hingabe und Freude zu bewegen. Im Tribal Fusion entdeckte sie die Möglichkeit, ihr Repertoire zu erweitern. Sie kokettierte mit der Starrheit der geltenden Ansprüche. Ihre Botschaft: Tanz muss Freude machen, er muss befreien. Dazu gehören kreative Verstöße. Sie zeigt am heimischen PC einen Mitschnitt. Als „Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe“ persifliert sie in Interaktion mit Stephan Reher voll Menschlichkeit und spritzigem Humor gängige Klischees.
„Eine Kollegin war besorgt, weil das Publikum lachte“, erzählt sie. „Ich sagte: Das Publikum kann genießen, indem es lacht.“ Nach der Slapstick-Einlage folgt ein Bauchtanz mit so vielen Kapriolen, dass die Zuschauer in der Ekstase der Überraschung juchzen. Abräumen nennt man das landläufig. „Man muss locker rangehen“, sagt Antje mit entwaffnender Coolness. „Genau das Gegenteil von dem tun, was die Leute erwarten.“ Eine Begabung, die auf alle Partizipierenden entkrampfend wirkt.
Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 19)Strenge Lehrerin
Humor bedarf in erster Linie Herz. Und das verschenkt Antje Wayandt bei ihren Auftritten dem Publikum und in ihren Kursen den Schülerinnen. „Am Anfang bin ich eine strenge Lehrerin“, sagt sie. Bauchtanzlehrerin ist kein geschützter Begriff. Umso ernster nimmt sie ihre Profession, innerhalb derer sie ihre Kenntnisse mit Workshops ständig erweitert. In ihrem Zimmer liegen Bücher über medizinische und anatomische Hintergründe beim Tanzen.
Schwangere, erzählt sie, dürften beispielsweise kein seitliches Kopfgleiten ausführen, weil dies belastend für die Wirbelsäule ist. Das müsse man wissen, wenn man Schülerinnen leiten will, ihre Limits zu überwinden – und sie dabei nicht gefährden möchte. „Mit dem Handwerkszeug kann jeder machen, was er möchte. Ich will keine Kopien, sondern Individuen.“
Antje Wayandt alias „Anima tanzt!“
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