Kneipenviertel Neustadt. Vor dem Krieg gab es hier rund 150, hauptsächlich Arbeiterkneipen, zu DDR-Zeiten schrumpfte die Zahl und ab 1990 ging es wieder aufwärts. Ein kleiner Rückblick.
Die Straßen zwischen Albertplatz und Bischofsweg werden in fast jedem Reiseführer als Szene-Viertel geführt. Der Ursprung dessen liegt in den späten 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals bevölkerten wilde Studenten, Alternative, Langhaarige und Punks zunehmend die heruntergekommenen Altbauten.
Und nach ersten geheimen Treffs in Wohnzimmern entstanden Ende 1989 die ersten Szene-Kneipen wie das „Stillos“ im Hechtviertel, die „Bronxx“ (bzw. „Café Hilton“) auf der Alaunstraße, das „Tivoli“ auf der Louisenstraße oder das „La Mitropa“ und die „Raute“ auf der Böhmischen. Herrliche Zeiten für Hobby-Wirte. Die DDR-Staatsmacht war zusammengebrochen und von der Einheit noch nix zu spüren.
Kein Hygiene-Amt, das kontrollierte, keine Steuereintreiber. Man konnte einfach ’ne leer stehende Wohnung besetzen, ein paar Tee-Kisten hineinstellen, wilde Graffitis an die Wände sprühen und fertig war die Kneipe. Doch auch damals schon gab es Gourmet-Tendenzen. Im „La Mitropa“ auf der Böhmischen beispielsweise standen zwar auch die obligatorischen Kisten vor besprühten Wänden, jedoch gab es sehr oft sehr leckeres Essen und weit vor seiner Zeit ein ausschließlich vegetarisches Angebot. Die gefüllten Zwiebeln waren der Hammer.
Nahezu alle Szene-Kneipen der ersten Stunden hielten sich nicht lange. Die „Bronxx“ wurde von Neonazis, die damals häufig die Neustadt heimsuchten, in der Silvesternacht 1990 angezündet. Das „La Mitropa“ wurde von der Polizei nach einer missglückten Antifa-Demo geschlossen. Andere machten dicht, als mit der Deutschen Einheit plötzlich Recht und Gesetz zurückkam. Nur wenige gibt es heute noch. So zum Beispiel „Die Hundert“ auf der Alaunstraße, das „Raskolnikoff“ in der Böhmischen oder die „Planwirtschaft“, die inzwischen aber alle den Inhaber gewechselt haben.
In den 1990ern setzte dann ein regelrechter Boom ein, keine Woche ohne neue Kneipe. Im gleichen Zug verdrängte die jugendliche Szene immer mehr das Ursprüngliche aus der Neustadt, so dass es nur noch wenige originale DDR-Kneipen am Rande des Viertels gibt, so das nahezu unveränderte „Bautzner Tor“ oder die „Erlenklause“. Kult-Kneipen mit Ost-Charme wie die „Konzertklause“ , der „Alaungarten“ oder das „Goldene Hufeisen“ mussten schließen. An anderer Stelle wird der ostalgische Charme aber wiederbelebt. So im „Ost-Pol“ oder im „Hebedas“.
Inzwischen scheint der Markt gesättigt. Neueröffnungen gibt es zwar noch, aber dafür fast genauso viele Schließungen. Und statt ordentlicher Kneipen für den feinen Suff zwischendurch, gibt es immer mehr Shisha-, Imbiss- und Gourmet-Angebote.