Mancher Abend lebt von Überraschungen – und von spontanen Einfällen. Eigentlich wollte ich es mir mit einer Freundin vorm „Bishop“ bei ein paar Bierchen gemütlich machen und locker darüber hinweg sehen, dass sie sich bei einem Cocktail vergnügt. Doch dann. Eine fröhliche Musik lässt ihr Telefon auf dem Tisch einen kleinen Tanz aufführen und ihre Aufmerksamkeit ist weg von mir.
Dann nehme ich ein paar Gesprächsfetzen auf. „Meißen“, „Burg“, „Hebamme“ – sie haut mir gegen den Oberarm. Ich kombiniere. Es geht wohl um eine Theatervorführung bei den Burgfestspielen. Und da müssen wir natürlich noch hin. Es ist kurz nach 19 Uhr. Das könnte knapp werden und das leere Bier vor mir flüstert, dass ich das Auto heute wohl besser nicht mehr benutzen soll.
Weitere Gesprächsfetzen dringen an mein Ohr: „supertoll“, „spannend“, „Restkarten“ – inzwischen google ich schon. Es geht um „Das Geheimnis der Hebamme“ – ein Schauspiel nach dem gleichnamigen Roman von Sabine Ebert. Sächsische Geschichte romantisch verpackt – wer kann da schon widerstehen. Ich ahne, meine Begleiterin wohl eher nicht – also begebe ich mich in die Reiseplanung. Das Stück beginnt um 20.30 Uhr. Der Verkehrsverbund Oberelbe hatte doch kürzlich eine neue App (gibt’s hier im Google-Playstore) herausgebracht. In Windeseile hab ich die Abfahrtszeit gecheckt – 19.39 gehts mit der S-Bahn los – Rückfahrten bietet die Bahn bis in die späte Nacht an. Noch zwei Klicks und ich habe das Ticket* auf meinem Handy gespeichert. Damit könnten wir theoretisch in Meißen auch den Bus benutzen.
Lächelnd stecke ich das Gerät wieder weg, lehne mich entspannt zurück, genieße Sonnenuntergang und Bierchen – als meine Begleiterin mir schon wieder gegen den Oberarm haut. Na, wenn das mal keinen blauen Fleck gibt: „Du, wir müssen nach Meißen – die (den Namen hab ich schon wieder vergessen) hat noch zwei Karten für uns. Wo steht Dein Auto?“
Jetzt beginnt der Spaß erst richtig. „Auto? – Ich habe doch getrunken!“ – Betont schütte ich die übrigen Tropfen des Getränkes in mich hinein. Ich zeige zum Bahnsteig. „Da, wir nehmen die S-Bahn.“ Tatsächlich ist oben gerade ein roter Doppelstock-Zug eingefahren. Sie springt auf. Ich bleibe sitzen und grinse. „Falsche Richtung – wir haben noch ein paar Minuten, Tickets hab ich auch schon.“ Nun bekomme ich die dritte Schelle auf den Oberarm, diesmal aber ein ganzes Stück zärtlicher und sie übernimmt die Rechnung.
Später rauschen die Neustadt, Pieschen und Radebeul an uns vorbei und noch später stapfen wir den Burgberg nach Meißen hoch. Die Geschichte von der Hebamme Marthe ist dann doch deutlich spannender als befürchtet. Aber davon kann sich jeder selbst ein Bild machen. Das Stück wird am Freitag und Sonnabend noch aufgeführt. Es soll noch Restkarten geben.
-
*Preise unter www.vvo-online.de
Total schön geschrieben. Hat Spaß gemacht, es zu lesen. :)