Du musst das richtige Tempo finden! Ruft mir der Fotograf zu. Ich bin froh, dass ich herausgefunden habe, dass ich die Bremse loslassen muss und gehe nun etwas schneller. Ich schiebe einen Rolator vor mir her. Schön mit Blümchen geschmückt und da – tatsächlich, es ertönt eine Musik. Wenn ich jetzt ganz gleichmäßig gehe, klingt es sogar melodisch. Ich bin begeistert.
Neben mir steht Richard von Gigantikow, der die Geräusch-Roll-Geräte betreut, außer dem Rollator gibt es noch einen Vermessungsroller mit fröhlichen Tönen. Und dann, ruck-zuck, hat mich Richard eingemeindet. Er steht hier auf der Alaunstraße für Labystan – eine Mikronation, eine Liebeserklärung an die Fantasie. Da bin ich doch gerne dabei.
Kurz zuvor war meine Laune nicht so begeistert. Fast eine Stunde bin ich mit „Visit Dresden“, dem Kanal des Stadtmarketings durch die Neustädter Gassen gezogen. Habe im Interview viel von alten Zeiten berichtet. (Wer Zeit und keine Angst vor Facebook hat, kann das hier nachhören).
Bei dem Rundgang fiel mir auf, was fehlte. Auch weil mich der Moderator immer wieder fragte, was denn die BRN nun von anderen Stadtfesten unterscheide. Da fiel mir nicht mehr viel ein.
Das Tolle am Fest muss man wohl mit der Lupe suchen – oder sich Tipps geben lassen. Mein Tipp kam von Annamateur – „Du musst Rollator fahren“, rief sie mir zu. Und nun freue ich mich hier.
Die Ecke ist ohnehin ganz gut, nebenan die BRN-Tanzstube zeigt sich wunderbar und ein paar Schritte weiter gibt’s Pelmeni, russisches Bier und herrliche Rucksäcke mit der Aufschrift „Pegida ist so 1933!“ Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Dann läuft mir auch noch Ezé über den Weg. Um 19 Uhr soll sein Konzert auf der Alausebim-Bühne sein. Die Vorfreude wächst.
Zwischendurch kann ich mich auf der Görlitzer Straße noch an trinkfreudigen Jugendlichen mit Bermuda-Kettchen beim Flunky-Ball freuen. Ob sie wissen, dass das Neustädter Bermuda-Dreieck nur wenige Häuser weiter ist.
Nun entdecke ich weitere herrliche Kleinigkeiten. Nein, wie ein Stadtfest ist die BRN noch lange nicht. Man achte nur auf die herrlichen handgemachten Flamingo-Schirme im Vogelschutzgebiet oder die Milonga an der Sebnitzer Straße oder die Waffeln am Stiel, die mir ein paar kleine Mädels lautstark andrehen.
Wunderbar auch die Spielautmaten im Süßwasserfischgebiet. Oder die beiden jungen Leute, die strahlen, weil sie zwei der begehrten BRN-Becher ergattert haben. Die waren wohl schon am Freitag ausverkauft, verrät mir die BRN-Büro-Leiterin Ulla Wacker. Das schreit nach Fortsetzung im nächsten Jahr.
Als Ezé dann mit seinem Konzert beginnt, bin ich mit der BRN versöhnt, einen kurzen Ausschnitt gibt es hier auf Youtube. Vielleicht hat mich das russische Bier auch milde gestimmt, das war nämlich auch nicht so herb. Mit dem Konzert lasse ich es dann auch bewenden und überlasse den Abend der Jugend, die inzwischen schon wieder massenhaft in das Viertel strömt.
Ich finde es wie jedes Jahr schade, dass Du so extrem daran festhältst, dass die BRN was gaaaaaaaaaanz besonderes und eigenes ist. Schon lange nicht mehr… Ehrlich. Ich beobachte es seit 20 Jahren, bin inzwischen gelangweilt und ernüchtert. Denn: wenn man – anders als Du als Neustadt-Ticker-Schreiber – nicht die ganze Neustadt und all die geheimen Ecken und Mini-Events kennt und zugerufen bekommt – geht man eben doch immer gelangweilt durch die Gegend und denkt sich „So viele Kreative (angeblich) auf einem Haufen – und so wenig Kreativität“…
Lustig finde ich aber jedes Jahr Deinen krampfhaften Bemühungen, mit denen Du die BRN verteidigst… Sie ist halt irgendwas, wohin die Leute aus Kamenz, Görlitz, Leipzig und Striesen gehen, die sonst nix erleben… Die eigentlichen Bewohner…. Ja, wo sind die eigentlich? Ach ja, beim Hechtfest ; )
@ Jan – vielleicht ist das auch das Problem, dass du das seit 20 Jahren beobachtest. Ich nehme nun auch seit ’nem viertel Jahrhundert teil und kann nur sagen: 1) die 90er sind vorbei und kommen nicht wieder. Und das gilt nicht nur für die BRN, sondern so ziemlich für alle Initiativen. Die Strukturen sind verfestigt! 2) Ich finde auch nicht mehr alles klasse, was mir so an Musik übern Weg läuft – alles tausendmal gehört. Aber wen interessierts? Die nach uns haben doch das Recht Ihre Musik auf die Bühnen zu stellen und auf die Meinung der Alten zu scheißen.
Als Anwohner mitten im Viertel kann ich nur subjektiv sagen: die Insellösung scheint zu funktionieren. Der Lärm besonders nachts war sehr viel geringer, was mich tagsüber unglaublich viel toleranter werden lässt. Mit der Schröder-Sicherheitskonzept sind die ganzen überflüssigen Buden verschwunden und die Anwohner haben sich viele schöne Sachen ausgedacht. Vielleicht haben nächstes Jahr auch wieder mehr Leute aus dem Viertel Lust mitzumachen. Nach dem Frust der letzten Jahre war es echt ein schönes Fest!!!
Ein Hoch auf Ezé! Sein strahlendes Lächeln versöhnt mit ALLEM!