Ein leichter Regen nieselte gestern das Hechtfest ein, aber auch ohne meteorologisches Zutun versprach der Auftakt ein feuchtfröhliches Fischeinander. Es locken neue Tanzdielen und Spielwiesen (Hechtfett auf der Rudolf-Leonhard, Tetris auf dem Spielplatz Hechtstraße), die bisher als dunkle Pinkel-Nischen herhalten mussten. Der Hecht sticht in See und schaltet einen Wellengang hoch.
Flunkern und Magröhlen, Spritten und Krapfen – vor den Fischgründen des Hechts erblassen die Ozeane vor Neid. Nixen, Sirenen und Neptune tummeln sich bunt vereint in den akustischen Schleppnetzen. Hier blubbern noch die guten alten Zeiten an die Oberfläche, wenn Singer-Songwriter mit Mundharmonika und Fußstampf ihre Seele ins Mikro gurgeln und Bässe den Sandkasten durchvibrieren.
Süße Düfte der senegalesischen, chinesischen, russischen und schlaraffischen Küche locken den Knurrmagen und da, schräg gegenüber der Stelle, wo der Nachtwurm den Hechtfisch würgt, kauft ein Ungläubiger seiner Liebsten eine Ganesha-Statuette.
In Gruppen losgehen und in Grüppchen versacken. Schon treibt ein neues altbekanntes Gesicht vorüber, doch lange bleibt keine Zeit zum Plauschen, denn da leuchtet Babajagas Wodka-Buddel und man kommt, gelockt vom Blinkern außerirdischer Fassaden, vom rechten Kurs ab. Abgehängt die Bezugsgruppe, reingehängt der Strohhalm in den Becher und immer dem inneren Kompass nach, wird der Fischbrüchige schließlich an die schunkelnde Küste der Evergreens gespült: Die Tide ist hoch! Hier tanzen Jung und Nochjünger und alle anderen, die noch nicht ganz sauber sind, kniehoch im Schaum-Traum zu WMCA. Zurückrudern gilt nicht! Der Schaum eignet sich gleich zum Händewaschen. Die Containerschiffe der Erleichterung schrecken für einen halben Euro nicht mit Anacondas, höchstens Ringelnattern.
Blues und Folk, Dub und Techno, Licht und Halbschatten – alles verwabert unter einem verschwommenen Mond zu einer heiteren Masse, die erst zur Mitternacht hin an den neuralgischen Punkten gefährliche Strudel bildet. Da kündet auch schon ein Balkonfeuerwerk von der Sperrstunde und weist den Nochwachen den Weg in Richtung Chemo-Eiland.
Ach Hecht, du vitaler Raubfisch. Bei dir gibt’s noch Chili aus dem Küchenfenster und Viertelgebrautes, Seifenblasen und Schmodder im richtigen Verhältnis. Du raubst Sinne und Zeit und verteilst großzügig Kulturkaviar. Noch einmal kräftig am Steuerrad gedreht und weiter geht’s! Das war erst der Anfang der Odyssee!
Zwischenmeldung: Plötzlich ham die Leute wieder Bier in der Hand, statt Smartphones. Gut so!
Großartig geschrieben! Die vielen nautischen und aquatischen Wortspiele sind köstlich! Bin gespannt auf die Fortsetzung… ;)
Meisterwerk Philine. Ich liebe deine Schreibe!