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Spät, Später, Späti

Bis zum frühen Nachmittag darf der Biospäti in der Rudolfstraße schlafen
Bis zum frühen Nachmittag darf der Biospäti in der Rudolfstraße schlafen

Spätis oder „Spätverkaufsstellen“, wie sie eigentlich heißen, wurden in der DDR für Schichtarbeiter errichtet, damit man sich noch schnell eine Milch oder ein Bier holen konnte. Heute sind die Spätis Eckkneipe, Nachbarschaftströster, Gerüchteküche und der Laden für die kleinen Einkäufe. In der Neustadt gibt es an die 18 Spätshops. Eine Reportage über die Menschen, die den ganzen Abend vor oder hinter dem Tresen stehen.

Ein ganz gewöhnlicher Dezemberabend in der Rudolf-Straße 7. Draußen ist wenig los, es ist kalt und regnet. Ulli steht am Tresen seines kleinen Bio-Spätis. Eine Schlange vor ihm. Es ist acht Uhr, die Rushhour des kleinen Spätis im Scheunenhofviertel. Der Laden ist zwar klein, aber fein – Holzregale und gedämmtes Licht, da kommt Wohnzimmerfeeling auf.

Eine Frau ordert Wein und Ingwer. Es ist die Mutter eines guten Freundes. Ulli richtet ihr aus, dass der Sohnemann schon Brot gekauft habe. Kurz danach kreuzt ein anderer Kumpel auf, erkundigt sich nach Ullis Auto und nimmt noch gleich zwei Bier mit.

„Ich mag den Laden und die Leute. Hier steckt soviel Liebe und Köpfchen drin“, sagt Ulli.

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In ein paar Tagen wird er den über zehn Jahre alten Laden mit seinem Freund Alfred übernehmen. Er könnte sich vorstellen, bis zur Rente hier zu arbeiten.

Seit der Gründung vor elf Jahren verkaufen sie hier alles Bio. Obst, Gemüse, Saft und natürlich Bier. Also eine etwas gehobenere Nummer für einen Späti. Eine Konkurrenz von anderen Supermärkten wie Lidl oder Netto sieht Ulli nicht. „Das hier ist kein Supermarkt, wir sind ein Treffpunkt für die Nachbarschaft.“

Es ist ein Ort an dem noch kurz Bier, Wein, Obst und manchmal frisches Brot geholt wird. Ein Ort, der die Anwohner verbindet, die Gerüchteküche füllt, und – mit Blick auf die vielen Antifa-Sticker – die Nachbarn vielleicht auch ein bisschen politisiert. Man spricht generell per Du und kennt sich meist mit Vornamen. Außerdem habe er im Scheunehofviertel eine Monopolstellung, und für die Nachbarn aus nächster Nähe gebe es einen Anwohnerrabatt von 5 Prozent.

Klingt ja alles ganz schnucklig und lieb. Aber man muss schon der Typ dafür sein, lange wach bleiben, und für den Laden leben, denn so viel Gewinn bringe so ein Späti nicht- vor allem im Winter. Fragt sich, ob das im hippen Kern der Neustadt anders aussieht. Der Weg führt in die Alaunstraße.

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Blinkendes Licht scheint in Mode im Spätshop
Blinkendes Licht scheint in Mode im Spätshop

Alaunstraße, Ecke Albertplatz

Rot-grün blinkt am „Supermarkt Food 5“ die Aufschrift OPEN, WELCOME. Scheint in Späti-Mode zu sein, irgendwas Blinkendes vor die Fensterscheibe zu hängen.

Inhaber Khalid Mazhar sitzt mit Freunden am Tresen. Der Spätshop ist dreimal so groß, wie der Bio-Späti. Das Neonlicht ist zu grell. Es riecht nach der Pizzeria von nebenan.

Alle fünf Minuten kommt ein Kunde rein und kauft ein, zwei, drei Bier. Khalid selbst kennt kaum jemanden von seinen Kunden. „Die meisten sind Touristen“, sagt er. Sie holen sich ein schnelles Weggetränk und noch eine Zigarette.

Die Bierpreise unterschieden sich hier deutlich vom Biospäti. Wo dort ein Bier zwischen 1,30 und 4,80 Euro schwankt, kostet es hier zwischen ein und zwei Euro. Der gelernte Metallschlosser Khalid öffnete seinen Laden vor gut einem Jahr, vorher hatte er eine Pizzeria in Löbtau betrieben.

Ob er den Laden bis zu seiner Rente führen wird, weiß er nicht. „Der Laden ist Centarbeit. 50 Cent kaufen, und für 90 Cent verkaufen. Man wird hier nicht reich, aber man kann davon leben.“ Dass es im Winter leerer wird, merkt auch er.

Das Team vom Späti Supermarkt Food 5 (Ahmad Butt, Khalid Mazhar, Khan Hafeezullah)
Das Team vom Späti Supermarkt Food 5 (Ahmad Butt, Khalid Mazhar, Khan Hafeezullah)

Noch billiger wird das Bier im Späti Ro31 nah des Assiecks. Bei 60 Cent fängt das Bier hier an. Jürgen Schiebel, der den Laden 2011 eröffnete, will nicht nur die Touristen anziehen, sondern auch den Nachbarn den Weg zum Netto sparen.

So kauft vom Obdachlosen, über Studenten bis hin zum Yuppie alles hier ein.

„Kippen und Alkohol – das läuft gut“, meint sein Mitarbeiter André Böhme laut lachend. Ansonsten ist das Sortiment eigentlich in jedem Späti das Gleiche. Ein paar Chips, Süßigkeiten, Hygieneartikel, Suppentüten und sogar Hundefutter finden sich in den Regalen.

Interessant wäre, daraus mal ein Dinner zu basteln. Chips mit Wein-Senf-Soße und Spaghetti dazu.

Der Großteil des Ladens ist aber von Bierkästen und Kühlregalen gesäumt. Kühl oder Zimmertemperatur, die Entscheidung ist doch eigentlich schon gefallen. Trotz der netten Atmosphäre hat auch Jürgen Schiebel immer wieder Probleme.

Das Team vom Späti Ro31 (von links: Jürgen Schiebel, André Böhme, Denise Öztune Golombowsky)
Das Team vom Späti Ro31 (von links: Jürgen Schiebel, André Böhme, Denise Öztune Golombowsky)

Der frühere Campingplatzbetreiber rechnet alles vor. Bei Sonderangeboten kauft er große Mengen für den Laden. Trotzdem läufts auch bei ihm im Winter nicht so gut.

Nicht nur mit dem Umsatz gibt’s Probleme. Auch mit Aggression und Säufern hat er immer wieder zu kämpfen. Deswegen schließt er jetzt auch wieder ab Mitternacht. Sonst müsse er gefrustete besoffene Männer aus dem Laden schmeißen. Stilles Wasser bietet er nicht mehr an. „Da kommen die Drogensüchtigen“. Darauf hat er keine Lust.

Geschichten, die sich ein paar Ecken weiter in der Frühlingsstraße Tobias Simon gar nicht vorstellen kann.

Gemütlich wird es in der Ecke Nord
Gemütlich wird es in der Ecke Nord

Ein gemütlicher Laden mit spätem Charakter

Tobias Simon hat eigentlich schon geschlossen. Also gar kein richtiger Späti, aber trotzdem irgendwie ein Laden mit spätem Charakter. Beim Eintreten in die „Ecke Nord“ riecht es nach Kaffee und Kuchen – das Wohnzimmerfeeling stellt sich wieder ein.

Ein Wohnzimmer mit liebevollem Holzmobiliar, süßem Gebäck und gefliesten Wänden. Und während Tobias den Laden sauber macht, kommt der ein oder andere doch noch vorbei, um Wein oder Tabak zu bekommen. Tobias weiß das und liebt diese Abende. Generell hat er den Laden ziemlich gern. Und auch die Anwohner scheinen die „Ecke Nord“ ziemlich gern zu haben.

Denn als der „Tante-Emma(eigentlich Tante Brigitte Seidel nach der früheren Besitzerin)-Laden vor fünf Jahren schließen sollte, haben sich sechs Nachbarn zusammengetan und daraus eine „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ gegründet. Seitdem gibt es einen Hauptangestellten und einige Mini-Jobber. „Wir machen hiermit keinen Gewinn“, sagt Tobias.

Das hier sei kein Supermarkt, sondern eher „ein Institut für gute Nachbarschaft“, wo jeder einkaufe. „Am Morgen kommen sie, um schnell Brötchen und Kaffee runterzuschlucken, zum Mittag kommen die Omas und Opas zur Suppe, nachmittags kaufen die Kiddies ein paar Gummibärchen und Schokolade, und am Abend holt sich die WG noch schnell Tabak und Wein.“ Tobias kennt die Meisten, er weiß, wer viel und wer wenig Geld hat, und wem man vielleicht mal wieder einen Kaffee ausgeben sollte.

Tobias Simon liebt das "Nachbarschaftsinstitut"
Tobias Simon liebt das „Nachbarschaftsinstitut“

Späti gleich Späti?

Es zeigt sich, Späti ist nicht gleich Späti, Kunden nicht gleich Kunden, während die einen die Laufkundschaft mit Alkohol versorgen, bieten die anderen ihren Nachbarn einen Treffpunkt inklusive Gerüchteküche, aber alle Besitzer lieben irgendwie ihren Laden.

Sie wollen mehr sein, als ein Einkaufsladen, Gewinn steht da nicht an erster Stelle. Und bei allen fällt auf:„Im Winter ist hier arschwenig los“, wie es Tobias Simon am Besten zusammenfasst.

Also doch auch mal anstelle des Weihnachtsmarkts den guten alten Späti von nebenan unterstützen.

Ist ein Späti gleich ein Späti?
Ist ein Späti gleich ein Späti?

Neustadt-Spätshop-Übersicht

3 Kommentare

  1. Die Idee, Spätshops vorzustellen finde ich super. Allerdings sind Food5 und Ro31 nun mal gar keinen typischen Neustadt-Spätshops, da viel zu jung. Der Früh-Spätshop auf der Görlitzer, Kecha, das Holfix oder die Spätschicht wären durchaus würdigere Abbilder eines typischen Neustadt-Spätshops gewesen. Schade.

  2. …ich kann mir vorstellen, dass die Rubrik auch noch weitergeführt wird, dann kämen sicher auch noch einige „typische“ Spätis vor. Außerdem kann ja theoretisch auch ein Späti, der heut aufmacht irgendwann zum alteingesessenen Nachbarschaftstreff werden.

  3. „Kippen und Alkohol – das läuft gut“ … nice, … Spätshops als Speerspitze der Zigaretten und Alkoholindustrie … Halle Julia ;)

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