Auf dem Boden liegen zwei riesige Plaste-Säcke, voll mit Müll, so scheint es. Die Feuerleiter des Hauses hat ein Engel bestiegen, der gottgleich in die Ferne ruft. Plötzlich kommt Leben in die Säcke, erst krauchen sie und rascheln. Dann richtet sich der eine auf. Konturen werden erkennbar: ein mann, gelb angemalt. Gewaltsam reißt er den Sack auf und wirft die Plaste-Bahnen um sich.
Das Publikum ist begeistert. Mit ein paar Kulturenthusiasten stehe ich im Kunsthof zwischen Görlitzer und Alaunstraße. Dort wird der Vorweihnachtszeit gehuldigt. Die kleinen Läden haben Stände aufgebaut und verscherbeln Adventskram. Mitten in diesem weihnachtlichen Programm wird auch der Chronosbeat aufgeführt. Eine Performance mit Klangkörpern un drei Darstellern.
Inzwischen ist auch der zweite Plaste-Sack geplatzt und ein weiterer Mann tritt heraus. „Der sieht doch wie ein Blaumann aus“, platzt es aus mir heraus. Die Anspielung auf den klassischen Kittel versteht leider Keiner. Stattdessen wird mir „psst“ und „Sei mal leise“ an den Kopf geworfen. Dabei ist der Künstler wirklich blau, von oben bis unten angemalt. Die beiden klettern die Leiter empor zum gottgleichen Engel.
Doch das wäre zu einfach, also pausieren sie auf halber Höhe und benutzen die dort eigens dafür angebrachten Klangkörper, um wilde rhythmische Geräusche zu erzeugen, die der Engel durch spitze Schreie ergänzt.
Nach dem Klangduell folgt das physische Duell. Gelb gegen Blau. Schwert gegen Schild. Einen Sieger gibt es nicht. Dafür hübsche Zwischenszenen von erschrockenen Passanten, die das Geschehen nicht sofort als Kunst begreifen und deshalb entsetzt stehen bleiben. Gute Gelegenheit, einen Glühwein zu erwerben, inklusive 50 Pfennig Becher-Pfand.
Das Stück geht dem Ende entgegen. Gelb- und Blaumann sind beim Engel angelangt, der Flüchtet über das Dach. Dann Stille, dann Applaus und Erklärungsversuche. Aber warum alles erklären, schöne Farben, schöne Geräusche, ich muss doch nicht alles verstehen. Lieber noch einen Glühwein, der wärmt von innen.